„Ich denke darüber nach, es mal mit einem Au-Pair zu versuchen“, überlegte meine Bekannte Susanne kürzlich laut an meinem Küchentisch. „Du hattest doch schon drei – erzähl mir mal, wie das ist!"
Susanne hat drei Kinder und arbeitet im Krankenhaus – obendrein ist sie alleinerziehend. Welche gesetzlichen Regelungen greifen, wenn man ein Au-pair beschäftigen will. Welche Voraussetzungen die Familie bieten muss, was Unterkunft, Versicherung, Arbeitsvertrag, Bezahlung, Sprachkurs und die Rahmenbedingungen für die Arbeitszeiten sowie Urlaub betrifft. All das kann sie im Internet nachlesen, z.B. auf diesen Seiten:
Was die dreifache Mutter jedoch zuallererst interessierte, ist, ob das Leben mit Au-pair für sie und die Kinder eine Bereicherung oder eine Belastung ist. Ob sie dadurch Beruf und Familie besser unter einen Hut bringen kann. Folgendes gab ich ihr zu bedenken:
Seit einigen Jahren kommen die meisten Au-pairs aus Afrika, weil für sie Deutschland attraktiv ist und die Visumsvergabe gut funktioniert. Diese jungen Frauen reisen direkt aus dem Elternhaus zu uns und sind minimal auf unsere Kultur vorbereitet. Dafür können sie aber, wenn sie älteste/ ältere Geschwister sind, sehr gut und liebevoll mit Kindern umgehen, insbesondere mit den Jüngeren und Babys.
Deutsche Kinder, wie solche aus westlichen Nationen generell, sind anders sozialisiert als afrikanische oder asiatische. Bei uns steht nicht das Gehorchen und der Respekt vor den älteren im Vordergrund, sondern die Individualität und auch Eigenständigkeit, die mit Diskussionen und sich widersetzen einhergeht. Das ist für viele Au-pairs ein Schock, und es dauert bis zu zwei Monate, bis sie sich darauf eingestellt haben bzw. die eigenen Kinder ihr folgen.
Die Sprachkenntnisse, die auf dem Papier so gut aussehen (Zertifikate von Sprachschulen, die Voraussetzung für das Visum sind), sagen nichts aus über die tatsächlichen Fähigkeiten, auf Deutsch zu kommunizieren. Oft sprechen die Au-pairs gut Englisch oder Französisch, das hilft ihnen aber im Umgang mit den Kindern überhaupt nichts. Es braucht also viel Geduld – sogar bei der alltäglicher Kommunikation, Es dauert in aller Regel vier bis sechs Monate, bis das Au-pair sich wirklich eingelebt hat und sich sowohl kulturell wie auch den Kindern gegenüber wohl und sicher fühlt.
In den ersten Monaten wird das Au-pair sehr viel zuhause sitzen, weil es noch keine Kontakte vor Ort hat. Das kann anstrengend sein, zumal es vielleicht nicht in seinem Zimmer, sondern im Wohnzimmer auf dem Sofa sitzt. Das Wetter in Deutschland kann eine groβe Überraschung für den Gast darstellen. Bis dato unvorstellbare Kälte und Regenmengen gepaart mit ungeeigneter Kleidung sorgen dafür, dass das Au-pair die Option, mit den Kindern aus dem Haus zu gehen, gar nicht in Betracht zieht. Erst recht nicht im Winter.
Wenn das Au-pair sich eingelebt hat und Freundinnen und Freunde gefunden hat, sieht man es kaum noch – auβer mit eben jenen neuen Freunden und Freundinnen, die gerne auch im Wohnzimmer der Au-pair Familie Platz nehmen. Das sollte einen als Familie entweder nicht stören, oder aber man muss die geeigneten Worte finden, darüber zu sprechen.
Nach sieben bis acht Monaten ist das Au-pair innerlich auf dem Sprung, denn es wird Zukunftspläne schmieden: z.B. für ein freiwilliges soziales Jahr in Deutschland, ein weiteres Au-pair Jahr in Österreich, oder die Rückkehr nach Hause. Auch die Au-pair Familie muss sich nun bereits um das nächste Au-pair kümmern. Denn vier bis sechs Monate dauert es normalerweise, Auswahl und Formalitäten zu erledigen.
Anfangs muss man viel Zeit einplanen, also circa 1 Woche Urlaub nehmen, um das neue Au-pair einzuarbeiten. Sie sollte vom Flughafen abgeholt werden. Die Kinder müssen stundenweise und sanft an die neue Betreuung gewöhnt werden. Außerdem stehen viele organisatorische Gänge an: Verlängertes Visum vor Ort, Arzt für Gesundheitscheck, Sprachschule, Handykarte organisieren, Bank für Bankkonto, damit das Taschengeld steuerlich absetzbar ist, etc.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Gastfamilie dem Au-pair zuerst einmal zeigen muss, wie man die öffentlichen Nahverkehrsmittel nutzt, die Waschmaschine, Geschirrspüler, Trockner und Co bedient. Man erhält nicht eine von Anfang an voll einsetzbare Kinderbetreuung, sondern einen jungen Menschen mit staunenden Augen, der in Deutschland furchtbar friert und sich wundert, dass es im Winterhalbjahr so dunkel ist.
Auch wenn alles richtig gut läuft, arbeitet ein Au-pair maximal 30 Stunden pro Woche, ist also für berufstätige Eltern allenfalls eine Ergänzung zu Kita/Hort /Tagesmutter. Der Urlaubsanspruch von vier Wochen pro Jahr zusätzlich zu dem ganzen freien Tag pro Woche kann für Schwierigkeiten sorgen, falls die Vorstellungen des Au-pairs und der Gastfamilie darüber, wann der Urlaub zu nehmen ist, stark auseinandergehen.
„Oha“, sagte Susanne ziemlich erschlagen von all diesen Informationen, „Und würdest du mir nun dazu raten oder nicht?“ Nun, das kommt darauf an – ich kenne Susanne und weiβ, dass sie gut mit anderen Menschen klarkommt, auch wenn sie wenig mit ihnen gemeinsam hat. Ihre Kinder sind das, was man „gut geraten“ nennt, und es macht Susanne auch nichts aus, ihr Bad mit einer weiteren Person zu teilen. Die Voraussetzungen sind also gut. „An deiner Stelle“, nickte ich, „würde ich mir durchaus mal ein paar Au-Pair Vermittlungen im Internet angucken, da sind oft Bilder und Beschreibungen der Mädchen zu sehen, dann kannst du dich da rantasten“. Mit meinen ehemaligen Au-pairs bin ich übrigens noch Facebook-befreundet, und wir kamen gut miteinander aus.
Alles in allem, schickte ich noch hinterher, kostet ein Au-pair etwa 500 Euro im Monat. Bei 120 Stunden Kinderbetreuung macht das eine Entschädigung von 4,16 Euro pro Stunde, die auch noch steuerlich absetzbar ist. Das ist einfach unschlagbar günstig. Andererseits wird die private Tagesmutter einkommensunabhängig vom Staat gefördert. Oft sogar komplett bezahlt! Dies könnte also eventuell finanziell günstiger kommen.
Ich empfahl ihr noch den Blog aupairfamilienrw.wordpress.com zu lesen, und damit hat sie nun genügend Stoff zum Nachdenken. Ob sie ein Au-pair in ihr Haus holen wird? Wir werden sehen!
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