Familienvereinbarkeit: Ein Muss bei der Personalsuche

Familienfreundlichkeit ist mehr als nur ein Schlagwort. Sie ist ein entscheidender Faktor für die Attraktivität eines Unternehmens am Arbeitsmarkt.

Verena Fritzenwenger
Gründerin und CEO der PEOPLE Consulting GmbH

Allmählich sickert die Erkenntnis auch in die Köpfe der konservativsten Unternehmer: Familienfreundlichkeit ist ein Muss. Auf einem leer gefegten Fachkräftemarkt können sich Betriebe schlicht nicht mehr leisten, die Bedürfnisse von Müttern und Vätern, aber auch von pflegenden Angehörigen zu ignorieren. Es reicht aber nicht, sich Familienfreundlichkeit im Employer Branding auf die Fahnen zu schreiben. Steckt hinter dem schönen Schein keine Substanz, sind gerade erst gewonnene Kräfte schnell wieder weg – und die Personalsuche beginnt von vorn.

Flexible Arbeitszeiten als Entscheidungskriterium


Die Frage: „Wie sieht es im Unternehmen mit flexibler Arbeitszeit aus?“, wird oft schon im ersten Gespräch mit einem Bewerber oder einer Bewerberin gestellt. Für viele Mütter, und immer häufiger auch für Väter, ist dieser Punkt ausschlaggebend bei der Entscheidung für oder gegen einen Arbeitsplatz. Flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorganisation sind deshalb zentrale Punkte in einer familienfreundlichen Unternehmenskultur. Weitere Möglichkeiten sind unter anderem Kita-Zuschuss, betriebliche Altersvorsorge, Still-/ Ruheraum und das Eltern-Kind-Büro. Mit solchen Benefits lässt sich im Recruiting klar punkten.
Laut Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2023, herausgegeben von der Bundesregierung, ist die Bedeutung einer familienfreundlichen Unternehmenskultur knapp 86 Prozent der deutschen Unternehmen inzwischen durchaus bewusst. Aus Sicht der Beschäftigten sieht die Realität allerdings noch nicht ganz so rosig aus: Während 51,4 Prozent der befragten Unternehmen angeben, in ihrer Firma eine „ausgeprägt familienfreundliche Kultur“ zu pflegen, sagen das nur 38,2 Prozent ihrer Beschäftigten. Tatsache ist auch: Während es in der Schweiz zum Beispiel längst üblich ist, dass auch Ärzte in Teilzeit arbeiten oder sich Stellen teilen, sind solche Arbeitsverträge in Deutschland noch selten.

Die Angst vor dem Karriereknick

Hinzu kommt: Gerade unter Führungskräften ist die Angst vor einem Karriereknick verbreitet, wenn sie auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bestehen. Kein Wunder, wenn Unternehmer wie Wolfgang Grupp noch immer verkünden: „Wer im Homeoffice arbeitet, ist unwichtig“. Das behauptete der ehemalige Trigema-Chef noch im Oktober vergangenen Jahres gegenüber der Zeitschrift Wirtschaftswoche. Wenige Wochen später übergab der 81jährige die Firmenleitung an seine Kinder. Bleibt zu hoffen, dass die nachfolgenden Generationen familienfreundlicher denken. Beschäftigte mit und ohne familiäre Verpflichtungen müssen die gleichen Entwicklungs- und Aufstiegschancen haben wie diejenigen, die ohne Familie durchs Leben gehen, auch wenn sie im Home-Office arbeiten.
Wenn sich Fachkräfte mit Kindern für eine neue Stelle bewerben, kann das den Umzug in eine andere Stadt mit sich bringen – und zwar für die gesamte Familie. Das will gut überlegt sein und passiert nur, wenn die Bedingungen stimmen. Einmal mehr gilt in diesem Fall: Je größer die Unterstützung der Firma für die Familie, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung für den Betrieb. Gerade bei Müttern und Vätern, die eine so weitreichende Entscheidung treffen wollen, sollte sich ein Bewerbungsverfahren außerdem nicht unnötig hinziehen. Auch das bedeutet Familienfreundlichkeit und generell Menschlichkeit im Recruiting.

Für die Familie und für die Gesellschaft

Die Liste der Vorteile einer familienfreundlichen Unternehmenskultur lässt sich noch fortsetzen. Beispielsweise kommen Mütter schneller an den Arbeitsplatz zurück, ihre Kompetenz geht dem Betrieb nicht verloren. Immer mehr Väter wünschen sich mehr Teilhabe an der Familie und richten ihre Karriereentscheidungen danach aus, wie im Väterreport 2023 zu lesen ist. Der Kern aller Umfragen und Studien aber ist: Wer gutes Personal rekrutieren will, kann sich der Aufgabe Familienvereinbarkeit nicht verweigern – weder im eigenen Interesse noch in dem der Gesellschaft.

Bildnachweis: pexels – thisisenineering

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