Serie „Mamas im Chefsessel“

Dorothea von Wichert-Nick wusste schon immer, dass sie sowohl beruflichen Erfolg als auch eine Familie gründen wollte. Doch wie kann das funktionieren, wenn einen die Gesellschaft vor die Wahl stellt: Karriere oder Kinder?

Dorothea von Wichert-Nick
Executive Coach


Viele Frauen in Führungsposition haben die tägliche Herausforderung, sich zwischen ihren Ambitionen und ihrer Familie zerreißen zu müssen. Für Dorothea war das jedoch nie ein Widerspruch, sondern ein natürlicher Teil ihres Lebensplans - Mutter und CEO.  Wie sie diesen Spagat gemeistert hat, teilt sie hier offen und ehrlich, inklusive Tipps für Frauen, die vor der gleichen Entscheidung stehen.

Kinder? Ja, bitte drei!

Schon während meines Studiums der Wirtschaftsingenieurwissenschaften stand für mich fest, dass ich in einer Führungsposition arbeiten wollte. Nach dem Studium ging ich zunächst ans Fraunhofer-Institut, wechselte aber bald zur Telekom, wo ich meine erste Teamführungsposition übernahm. Beruflich lief es hervorragend – und gleichzeitig war mein Kinderwunsch immer präsent. Meinen Mann lernte ich bereits während dem Studium kennen und wir waren uns immer einig: Wir wollten Kinder. Am liebsten drei.. Warum drei Kinder? Nun, das ist ganz einfach: Bei zwei Kindern hat man noch beide Hände frei, kann sie gut „kontrollieren“. Aber mit drei Kindern wird es spannend, denn dann geht es in einen „Rudel-Modus“ über, und man muss die Kontrolle ein Stück weit abgeben. Ich habe in meiner Kindheit erlebt, dass größere Familien oft gelassener waren. Diese entspannte Dynamik haben mein Mann und ich uns auch für unsere Familie gewünscht.

Offenheit ist Queen

Eine der wichtigsten Lektionen, die ich gelernt habe, ist, dass ich meine beruflichen und privaten Wünsche klar kommunizieren muss. Dass ich Kinder haben möchte, habe ich dann auch schon in meinen Bewerbungsgesprächen angesprochen. Ja, richtig gelesen – und das vor guten 25 Jahren! Schon bevor ich schwanger war, war meine Aussage: „Ich werde irgendwann Mutter sein, und ich möchte trotzdem in einer verantwortungsvollen Rolle arbeiten.“ Diese Offenheit war für mich essentiell, um sicherzustellen, dass ich in einem Unternehmen lande, das zu meinen Werten passt und mich auch als Mutter unterstützt, anstatt danach degradiert zu werden. Ich möchte gerne zwei Beispiele teilen, in denen die unterschiedlichen Einstellungen von Arbeitgebern recht deutlich wird:
In einem Gespräch traf ich einen Hiring Manager, dessen Frau ebenfalls eine anspruchsvolle Vollzeitstelle hatte und gleichzeitig Mutter war. Es war sofort spürbar, dass hier Verständnis und echte Unterstützung für meine Situation vorhanden waren. Er erzählte mir, wie er und seine Frau die Betreuung der Kinder organisierten und wie sie beide beruflich erfolgreich blieben, ohne dass die Familie darunter litt.
Im zweiten Gespräch mit einem anderen Unternehmen erlebte ich eine völlig andere Einstellung. Der Hiring Manager sagte zwar, dass das Unternehmen Mütter unterstütze, doch als ich genauer nachfragte, wurde klar, dass dies nur bedingt der Fall war. Eine Frau war zwar nach der Elternzeit zurückgekehrt, jedoch in einer weniger verantwortungsvollen Position – sie wurde de facto degradiert. Das war für mich ein Warnsignal. Als ich ihn fragte, ob seine eigene Frau auch arbeite, antwortete er: „Nein, meine Frau ist selbstverständlich zu Hause.“ Die versprochene Unterstützung war also mehr Schein als Sein.

„Walk the talk“ ist hier entscheidend: Nur weil ein Unternehmen behauptet, es sei familienfreundlich, heißt das nicht, dass es das auch wirklich ist. Ich habe gelernt, mich nicht nur auf Worte zu verlassen, sondern auch auf die gelebten Werte und Beispiele zu achten. Wenn das Unternehmen nicht authentisch hinter der Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht, solltest du weitersuchen.

Wann ist der „richtige“ Zeitpunkt?

Ich bin keine Vertreterin der landläufigen Meinung: erst Karriere - dann Kinder. Der Grund ist ganz einfach. In den frühen Phasen der Karriere – also bevor man eine Top-Management-Position erreicht – ist es in der Regel einfacher, Kinder zu bekommen, da man sich noch in der Aufbauphase befindet. Sobald dann die Kleinkindphase vorbei ist und die Kinder größer sind, ist man in der Lage, sich voll auf die beruflichen Ziele zu konzentrieren und die große Verantwortung zu übernehmen.

Natürlich bedeutet das nicht, dass Frauen, die später Kinder bekommen, keine Karriere machen können – das ist ganz klar möglich. Meiner Erfahrung nach fordert eine Rolle als CEO allerdings oft sehr hohe zeitliche und mentale Kapazitäten, und es wird schwerer, beides gleichzeitig zu bewältigen, wenn die Kinder noch klein sind. In meinem Fall war es so, dass ich relativ früh Kinder bekommen habe, um dann, als die Kinder älter und unabhängiger waren, wieder voll durchstarten zu können. Dadurch hatte ich den „Rücken frei“, als es darum ging, noch größere berufliche Verantwortung zu übernehmen. Doch das muss jede Frau selbst für sich entscheiden. Wie so oft gibt es hier nicht den einen „richtigen“ Weg.

Ohne Backup keine Bühne

Eine*n unterstützende*n Partner*in an der Seite zu haben, ist unerlässlich. Mein Mann und ich waren von Anfang an auf einer Wellenlänge, was unsere beruflichen und familiären Vorstellungen anging. Er wuchs in einer Familie auf, in der seine Mutter als Ärztin Vollzeit arbeitete. Dieses Modell, in dem beide Elternteile berufstätig waren, war ihm vertraut, und es half uns, die gleiche Einstellung zu entwickeln: Wir beide würden arbeiten, und wir würden es gemeinsam schaffen.

Uns war klar, dass wir feste Absprachen treffen mussten, um den Alltag zu organisieren. Wir legten fest, dass wir uns tageweise abwechseln würden: Jeder von uns “durfte” mal länger arbeiten. So hatte jeder von uns 2-3 Tage pro Woche, an denen er wirklich viel erledigen konnte. Diese Flexibilität und Aufteilung der Verantwortlichkeiten gaben uns beiden die Möglichkeit, uns beruflich zu engagieren, ohne das Gefühl zu haben, dass einer von uns zurückstecken musste. Es war uns auch wichtig, dass wir als Paar nicht auf der Strecke bleiben. Deshalb haben wir feste Rituale geschaffen, um unsere Beziehung zu pflegen – regelmäßige Date Nights, kurze Wochenendtrips und bewusste Auszeiten nur für uns. Doch das war nur möglich, indem wir uns Unterstützung geholt haben.

Outsourcing schafft Freiräume

Viele Frauen haben das Gefühl, alles selbst machen zu müssen, und geraten dadurch schnell unter Druck. Mein Rat: Delegiere so viel wie möglich. Es ist keine Schwäche, sich Unterstützung zu holen – im Gegenteil, es ist eine kluge Entscheidung, um langfristig erfolgreich und zufrieden zu sein. Ob es nun um die Kinderbetreuung, den Haushalt oder andere Aufgaben geht: Outsourcing kann dir den Raum geben, den du brauchst, um beruflich und privat präsent zu sein.

Von Anfang an hatten wir eine Kinderfrau, die nicht nur die Kinder betreute, sondern auch den Haushalt übernahm. Dieses Outsourcing ermöglichte es uns, die Zeit, die wir mit unseren Kindern verbrachten, wirklich bewusst zu genießen. Anstatt von Haushaltstätigkeiten und Alltagsaufgaben abgelenkt zu sein, konnten wir uns ganz auf die Kinder einlassen. Ein festes Ritual in unserer Familie war das gemeinsame Abendessen und das Vorlesen im Elternbett. Das waren Momente, in denen wir als Familie wirklich zusammen waren, und sie haben uns unglaublich viel Halt gegeben. Die Kehrseite der Medaille? Die Kinderfrau kostete uns fast ein volles Nettogehalt. Aber ganz ehrlich: Es war die beste Investition, die wir für unsere Familie machen konnten.

Nicht ohne mein Netzwerk

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der mir sehr geholfen hat, war mein Netzwerk aus berufstätigen Müttern. Ich habe früh erkannt, wie wichtig es ist, sich mit anderen Frauen auszutauschen, die in einer ähnlichen Situation sind. Gemeinsam mit anderen ambitionierten Müttern haben wir einen Working-Mom-Stammtisch gegründet, in dem wir uns regelmäßig trafen, um uns gegenseitig zu unterstützen, Ratschläge zu geben und Erfahrungen zu teilen. Jede von uns hatte ihr eigenes Modell der Kinderbetreuung und Unterstützung – sei es durch eine Kinderfrau, Großeltern oder Freunde. Und genau darum geht es: dein persönliches Modell zu finden, das dich maximal unterstützt.

Unternehmen müssen sich anpassen – oder sie verlieren

Bei diesen Stammtischen zeichnete sich damals schon die Tendenz ab, dass viele Mütter aufgrund der Inflexibilität ihrer Arbeitgeber mit dem Gedanken spielten, sich selbstständig zu machen. Diese Tendenz ist heute oftmals Realität: Aus Sicht der Wirtschaft ist das bedenklich. Unternehmen, die es versäumen, flexible Arbeitsbedingungen für Mütter zu schaffen, riskieren, ihre besten Talente zu verlieren. Ich bin der Meinung, dass unsere Wirtschaft es sich nicht leisten kann, auf ambitionierte und qualifizierte Frauen zu verzichten. Hier muss sich also noch einiges tun, obwohl es so vielseitige Möglichkeiten gibt, berufstätige Mütter zu unterstützen – von betriebsinternen Kindergärten über Eltern-Kind-Büros bis hin zu flexiblen Arbeitszeiten und Homeoffice-Modellen. Eine weitere Option wäre die Organisation von Babysittern, vor allem für Mütter (und natürlich auch Väter), die keine familiäre Unterstützung in der Nähe haben. Und mal ehrlich: Wenn es Bürohunde gibt, warum dann nicht auch „Bürokinder“? In Ausnahmefällen, die Kinder mit ins Büro zu bringen, wäre doch ein Schritt in die richtige Richtung. Daher lautet mein Appell an alle Leserinnen: Sprecht euren Arbeitgeber konkret darauf an, liefert Lösungsvorschläge und bleibt hartnäckig.

CEO und Mutterschaft ist keine Mission Impossible

Mutter zu sein und gleichzeitig eine Karriere zu machen, war für mich nie ein Widerspruch. Mit der richtigen Unterstützung – von meinem Partner, meinem Netzwerk und durch Outsourcing – war es absolut möglich, beides zu vereinen. Wenn du ähnliche Ziele hast, ermutige ich dich, offen über deine Wünsche zu sprechen, dir Hilfe zu holen und dein persönliches Modell zu finden. Die Balance zwischen Karriere und Familie ist kein Mythos – sie ist machbar!

Bildnachweis: Anne Kaiser

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