Das schlechte Gewissen. Es begleitet Eltern Tag ein Tag aus. Sieben Tipps, wie Sie das schlechte Gewissen - zumindest zum Teil - in den Griff bekommen.
Es ist kurz nach 17:00 Uhr. Nach einem langen und anstrengenden Tag kommt Melanie Weber gerade noch rechtzeitig zum Kindergarten, um ihren Sohn abzuholen. Zumindest war sie die ganze Zeit der Meinung, rechtzeitig zu sein. Als sie dann aber die vielen Mütter und Väter vor dem Kindergarten in kleinen Grüppchen angeregt plaudern sieht, fällt es ihr wie Schuppen von den Augen: Die Kinder hatten heute eine Aufführung, und sie hatte es Jonas doch hoch und heilig versprochen, dieses Mal dabei zu sein. Etwas geknickt sitzt der kleine Mann auf der Bank vor dem Kindergarten, und Melanie blutet das Herz.
Der Kindergärtnerin erzählt sie was von: „Wichtiges Meeting ... Die Kollegen haben mich gebraucht ... Der Kunde hatte darauf bestanden, dass ich dabei war.“ Die Wahrheit ist: Melanie hatte die Aufführung vergessen. Eine Wahrheit, die ihr aber zu peinlich ist, um sie zu gestehen. Diese kleine Episode ist schon mehrere Jahre her. Jonas hat alles längst vergessen, aber Melanie quält noch immer das schlechte Gewissen.
Alle berufstätigen Mütter kennen das. Jede von uns hat so eine kleine oder auch größere „schlechtes-Gewissen-Geschichte“. Wir zucken zusammen, wenn wir daran denken, wie wir mal wieder nicht beim Fussballspiel gegen die rivalisierende Mannschaft aus dem Nachbarort dabei waren oder nur einen Fertigkuchen aus dem Supermarkt mit zum Schulfest gebracht haben, während alle anderen mit selbst gebackenen Tortenkreationen glänzten. Wir versinken vor Scham, wenn wir all die Male aufzählen, die wir uns völlig übermüdet durch den Tag gekämpft haben, weil der Nachwuchs die halbe Nacht krank war. Oder die Male, die wir auf den letzten Drücker in der Besprechung erschienen sind, weil eines der Kinder die Sportsachen mal wieder nicht finden konnte.
Sicher, unser Gewissen soll uns davor bewahren, ein „schlechter Mensch“ zu werden. Unsere Psyche sorgt dafür, dass wir keine allzu großen Schandtaten begehen und dafür dass, wenn wir sie denn doch mal begehen, wir sie wieder gut machen. Wir brauchen unser Gewissen. Haben wir mal ein schlechtes Gewissen, zeigt es im Grunde nur, dass wir uns eigentlich unserer Schwächen bewusst sind. Dass wir Fehler erkennen und sie auch wieder gut machen. Aber eine allzu große Portion schlechten Gewissens kann nicht nur zeit- sondern auch energieraubend sein.
Als berufstätige Mutter ist man ein wandelndes schlechtes Gewissen. Ständig ist es da. Entweder gegenüber den Kindern, dem Arbeitgeber oder gegenüber dem Partner. Und warum scheint das schlechte Gewissen ein rein weibliches Problem zu sein? Warum könnte man manchmal den Eindruck gewinnen, dass Männer gegen ein schlechtes Gewissen immun sind?
Soziologen der Universität Toronto haben nun erstmals eine Studie zum „bad mother complex“, zu Deutsch: Rabenmutter-Komplex, angestellt und sind der Frage nachgegangen, wann und warum Eltern ein schlechtes Gewissen haben. Dazu haben sie die Gefühlslage von Mütter und Väter in Situationen untersucht, in denen sich ihr Berufsleben mit dem Privatleben vermischt. Das Ergebnis nach der Befragung von 1800 Berufstätigen zeigt: Mütter fühlen sich umso schlechter, je mehr berufsbezogene Mails und Anrufe sie außerhalb ihrer Bürozeiten bekommen. Väter hingegen beeinflusst der elektronische Übergriff aus dem Büro in das Privatleben emotional nur geringfügig bis gar nicht. Die Studie untersuchte weiter, ob das schlechte Gefühl eventuell mit Überforderung zu tun hat. Aber das Gegenteil ist der Fall. Mütter meistern den Spagat zwischen Beruf und Familie mindestens genau so gut wie die Väter. Der einzige Unterschied ist, dass Väter für diesen Spagat Anerkennung ernten, während er von Müttern als selbstverständlich erwartet wird. Die Kernbotschaft der Untersuchung ist aber eine andere: Das schlechte Gewissen quält die Mütter nicht, weil sie arbeiten gehen, sondern weil die Arbeit immer stärker ins Familien-/Privatleben übergreift. Was also tun? Es ist möglich, das schlechte Gewissen zu überwinden. Wir verraten Ihnen wie!
Tun Sie Ihren Kindern etwas an, was Ihnen Leid tun sollte? Leiden Ihre Kinder wirklich so sehr darunter, dass Sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen? Fühlen Sie sich schuldig oder ist es eine Schuld, die Ihnen von außen auferlegt wird? Vielleicht von Bekannten, die wegen der Kindern ihren Job aufgegeben haben? Von den eigenen Eltern oder Schwiegereltern?
Lassen Sie sich nicht von selbst ernannten Coaches aus Ihrem Umfeld verunsichern. Sie wollen arbeiten? Dann stehen Sie zu Ihrer Entscheidung, Beruf und Familie zu vereinbaren! Was wäre denn die Alternative? Eine unausgeglichene Mutter und Ehefrau, die zwar ihre Kinder liebt, die aber mit der Tatsache hadert, nicht mehr ihrem Beruf nachgehen zu können. Das will niemand. Sie nicht, Ihr Partner nicht und Ihre Kinder auch nicht.
Haben Sie es, wie Melanie, mal wieder nicht geschafft, rechtzeitig zur Aufführung Ihres Ältesten zu kommen? Überlegen Sie, was Sie nächstes Mal besser machen können, damit Sie es dann schaffen. Notieren Sie sich alle Termine in einem Kalender. Stellen Sie sicher, dass die privaten Termine nicht mit beruflichen kollidieren.
Wie heißt es so schön? Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Soll heißen: Im Büro haben private Angelegenheiten nichts zu suchen. Im Büro sind Sie die Kollegin oder Vorgesetzte. Versuchen Sie, in dringenden Situationen nicht mit Ihren Kindern zu argumentieren. Ihre Kollegen, insbesondere die ohne Kinder, werden es zu schätzen wissen. Wenn Sie einen Telearbeitsplatz haben oder als Selbständige von Zuhause aus arbeiten, stellen Sie klare Regeln auf.
Das Bürotelefon ist ausschließlich für Büroangelegenheiten da.
Das Gleiche gilt für den Computer.
Wenn Sie telefonieren, dürfen Sie nicht unterbrochen werden. „Tür zu“ bedeutet: Niemand darf stören
Das umzusetzen geht nicht von jetzt auf gleich. Aber mit der Zeit werden sich alle daran gewöhnen. Umgekehrt gilt das natürlich auch. Zuhause sind Sie Mutter und da dürfen die Kollegen oder Vorgesetzten nicht „eindringen“.
Als Eltern, die beide sowohl ihrem Arbeitgeber als auch ihren Kindern gerecht werden wollen, fühlen Sie sich ständig hin und her gerissen. Überlegen Sie, was Priorität hat. Im Büro ist es die Arbeit. Jeder wird es aber verstehen, dass Sie die Arbeit unterbrechen, wenn dem Kind etwas zugestoßen ist.
Zuhause ist die Familie wichtiger, und der Beruf muss zurück stehen. Und: Vergessen Sie sich selbst dabei nicht. Auch Sie haben ein Recht auf Zeit für sich. Planen Sie diese Zeit fest ein!
Bauen Sie ein Netzwerk auf. Wenn Oma und Opa nicht in der Nähe wohnen, verbünden Sie sich mit anderen Müttern und Vätern und „tauschen“ Sie Kinder. Wenn Sie die Kinder der Freundin hüten, dann passt diese ganz sicher das nächste Mal auf Ihre Kinder auf. Spannen Sie alle Familienmitglieder in die Hausarbeit mit ein. Auch die Kleinen können schon helfen. Es dauert dann vielleicht etwas länger, aber die Geduld wird belohnt. „Sockenmemory“ macht den Kindern Spaß, und Sie haben eine Aufgabe weniger. Die Älteren können beim Staubsaugen, Wäsche aufhängen oder auch beim Kochen mithelfen.
Niemand ist perfekt. Viele berufstätige Mütter vergessen das gern. Es ist nicht schlimm, wenn die Wäsche mal nicht gemacht oder der Kühlschrank unvollständig bestückt ist. Waren Sie statt dessen joggen oder haben mit den Kindern gespielt? Siehe Punkt 4. Ihre Priorität war eben eine andere. Wenn Sie es nicht geschafft haben, die Hemden zu bügeln: Siehe Punkt 5. Holen Sie sich Unterstützung.
Schrauben Sie auch Ihre Ansprüche gegenüber Ihren Kindern herunter. Kinderzimmer können und müssen nicht tadellos aufgeräumt sein. Und lassen die Schulnoten zu wünschen übrig – das wird schon. Wenn nicht: Organisieren Sie eine Nachhilfe.
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