Die Sprengkraft der Vorwürfe

Der Paartherapeut Sascha Schmidt weiß, was es mit Vorwürfen auf sich hat und wie man damit umgeht.

Sascha Schmidt
Management- & Personalberater

Der Vorwurf ist ein verbaler Fehdehandschuh, sagt Paarberater Sascha Schmidt. Der Vorwurf birgt eine große Kraft der Zerstörung in sich. Wer mit Vorwürfen hantiert, ist in seiner Wahrnehmung gefangen. Es fehlen der Blick und die Empathie für den Partner bzw. die Partnerin. Vorwürfe sind aber auch ein Warnsignal. Wenn Sie in der Beziehung anfangen, sich gegenseitig etwas vorzuwerfen, dann brodelt es bereits unter der Oberfläche. Das Dumme ist nur, mit dem Vorwurf wollen Sie zwar etwas ändern – aber nicht sich, sondern den Partner bzw. die Partnerin.

Keiner lässt sich gerne ändern

Das Problem ist: Keiner lässt sich gerne von jemand anderem ändern. Das hat mit Selbstachtung und Würde zu tun. Also reagieren wir – egal ob Frau oder Mann – auf Vorwürfe allergisch. Ein Vorwurf ist ein Angriff, und bei Angriffen bleibt nur Verteidigung – also im Zweifelsfall ein Vorwurf zurück – oder Rückzug, der bei Männern in dem für Männer oft typischen Schweigen endet. 

Was sie ihm vorwirft

„Wieso ist er nicht da? Wieso unterstützt er mich nicht? Wieso ist er nur ein Wochenendpapa?“ Kennen Sie diese Gedanken? Meistens sind das nicht nur Gedanken. Vielmehr entspricht ihre Wahrnehmung durchaus der Realität. Ein Faktencheck würde ergeben, dass er während der Woche kaum anwesend ist. Sie also tatsächlich auf sich allein gestellt sind. 

Doch was ist der Grund dafür? Das lässt sich von außen schwer sagen. In Gesprächen mit Männern kommen vielseitige Motivationen zum Vorschein. Es schimmert jedoch auch ein Leiden als Vater hervor. Denn immer mehr Männer wollen eigentlich aktiv Vater sein. Wiederkehrend höre ich folgende Gründe von Männern für ihre Abwesenheit:

Die Arbeit lässt mir keinen Spielraum für die Familie.

Zu Hause geht es drunter und drüber, da fliehe ich lieber ins Büro.

Meine Frau ist eine hundertprozentige Mutter, da gibt es keinen Platz für mich.

Was soll ich mit dem Baby alleine anfangen? Ich warte, bis es ein Kindergartenkind ist.

Frust und Leid bei Mann und Frau

Diesen gordischen Knoten bekommen Sie nur durchschlagen, wenn Sie miteinander reden und jeder für sich Verantwortung übernimmt. Es kann sein, dass Sie als Paar beschlossen hatten, dass die Frau zu Hause bleibt, während der Mann Karriere macht. Es ist ganz natürlich, dass dabei trotzdem Frust und Leid entsteht. Frust bei der Frau, allein mit den Kindern und dem Haushalt zu sein. Leid beim Mann, nicht als Vater eine tragfähige Beziehung zu den Kindern aufbauen zu können. Wenn dies so ist, dann sollten Sie schleunigst darüber reden. Es ist Ihre gemeinsame Verantwortung als Paar, ob Sie Frust und Leid einfach wegdrücken und damit den Beginn einer Entfremdung einleiten oder ob Sie sich dem Thema stellen.

Stellen Sie sich dem Thema

Sich einem Thema stellen heißt nicht, dass Sie bereits die Lösung kennen. Es ist der Anfang für einen partnerschaftlichen Lösungsweg – nicht gegen, sondern miteinander. Hilfreich hierfür ist folgende Formulierung: „Ich bin gefrustet darüber, dass du kaum da bist. Ich weiß, dass wir dies so gemeinsam entschieden hatten. Doch nun merke ich, dass es mich nicht glücklich macht. Lass uns mal Gedanken darüber machen, wie wir das ändern können.“ Damit ist der Raum für ungeahnte Möglichkeiten geöffnet. Allein ein neuer Horizont kann schon beflügeln.

Kleiner Geheimtipp von Mann zu Frauen

Männer kämpfen sehr selten um ihren Platz in der Familie oder im Haushalt. Deshalb: Geben Sie ihm einen Raum, den er einnehmen kann. Ein kleiner, herzlicher und zugleich konsequenter Stupser kann viel bewegen. Fahren Sie am Wochenende mit einer Freundin weg und lassen Sie ihn allein zu Hause. Es gibt nichts Besseres für Männer und die Bindung zu ihrem Kind, wenn sie Vater ohne Mutteraufsicht sein können. Aber Achtung: Er wird es anders machen als Sie! Können Sie das aushalten?

Was er ihr vorwirft

Vaterschaft und aktives Familienleben ist für Männer eine Expedition ins Ungewisse. Während Frauen und Mütter Generationen an weiblichen Vorbildern haben, wie das zu leben ist oder wie eben nicht, kennen Männer oft nur den abwesenden Vater. In der Wirtschaft wird dieses Bild vielfach am Leben gehalten. Karriere, Macht und Einfluss bedeutet Einsatz im Büro, bei Projekten oder beim Kunden.

Männer kämpfen nicht gegen Mütter

Wenn ein Mann sich entschließt, aus diesen Bahnen auszubrechen – immer mehr wollen es, wenige tun es –, dann ist dies mit Risiken verbunden: Die Karriere pausiert, das Gehalt stagniert, es besteht die Gefahr, im Kollegenkreis für ein Weichei gehalten zu werden. In diesem Kontext ist es nicht gerade förderlich, wenn die Mutter des Kindes alles besser weiß, „besser“ im Sinne von „Der Vater ist reiner Handlanger der Mutter“. Sie scheint zu wissen, was für das Kind gut ist, was es braucht und in welcher Form.

Männer sind Kämpfer – aber nur die wenigsten von ihnen kämpfen gegen den Mutterinstinkt ihrer Frauen an. Da geben sie sich schnell geschlagen. Es ist ja auch nicht ihr über Generationen vererbtes Gebiet.

Das Familienbild muss von beiden gemalt werden

Wenn die Mutter dabei aber die Hand des Vaters lenkt, wenn die Frau vorgibt, welche Farben der Mann verwenden soll, dann wirft er gern den Pinsel hin. „Mal das Familienbild doch alleine“ ist die Reaktion. Was folgt, ist der Rückzug in den Job, wo er seinen Familienbeitrag in Form seines Gehalts leistet. Glücklich mit der Situation ist keiner von beiden.

So gehen Sie mit Vorwürfen um

  • Klären Sie ab, wer welche Verantwortung trägt und welche Aufgaben übernimmt. Schauen Sie sich dabei in die Augen und besiegeln Sie es mit einem Handschlag als Paar.
  • überprüfen Sie Ihre Vereinbarung regelmäßig. Das Leben spielt jederzeit neue Karten aus. Reagieren Sie darauf als Paar flexibel.
  • Vermeiden Sie Besserwisserei, das hilft niemandem. Väter sind
    anders als Mütter – zum Glück für Ihre Tochter oder Ihren Sohn.
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