Marius Kronsberger hat im zweiten Lebensjahr seiner Zwillinge für ein Jahr Elternzeit genommen und hat sich Zuhause um alles gekümmert. Er hat den Haushalt geschmissen, Windeln gewechselt, sich mit den Zwillingen und einem Erstklässler durch die Coronazeit geschlagen und auf dem Spielplatz Einblicke in interessante Erziehungsmethoden erhalten. All seine Erlebnisse hat er in einem Tagebuch festgehalten, aus dem dann ein wunderbares, ehrliches Buch entstanden ist.
Wir haben ihn gefragt, wie das so war. Als Papa allein Zuhause und wie die beiden Eltern heute die Herausforderungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf angehen.
Das war ein längerer Prozess. Beim Großen habe ich noch die beiden klassischen Partnermonate zusammen mit meiner Frau gemacht – also eigentlich keine richtige Elternzeit. Ich habe lange gebraucht, um zu merken, dass es in der Gesamtbetrachtung für die Familie das Richtige ist, wenn ich das mache. Ich musste also ein bisschen in mein Glück hineinstolpern.
Wir hatten entschieden, dass meine Frau den Quereinstieg in die Allgemeinmedizin wählt. Ursprünglich ist sie Fachärztin für Neurologie gewesen. Um dieses Ziel in absehbarer Zeit auch zu erreichen, war es sinnvoll, dass sie viel arbeitet. Sie wollte aber auch gerne viel Zeit mit den Kindern haben. So kam dann die Idee der hälftigen Teilung (also jeder ein Jahr). Im Blickwinkel auf die Kinder war es uns wichtig nicht zu früh auf Drittbetreuung angewiesen zu sein. Mit Zwillingen ist es ja etwas risikoreicher in Bezug auf gesundheitliche Themen. Außerdem waren wir sehr unsicher, ob wir überhaupt zwei Betreuungsplätze finden. So hatten wir für alles mehr Zeit.
Da könnte ich stundenlang drüber erzählen. Der Blickwinkel auf so viele Dinge ändert sich durch eine lange Elternzeit. Um es zusammenzufassen: Ich bin nun überzeugt davon, dass die Welt eine bessere wäre, wenn die paritätische Teilung der Betreuungsarbeit zwischen beiden Elternteilen der Standard wäre.
Mein Blick auf gesellschaftlich gemachte Unterschiede zwischen den Geschlechtern hat sich durch meinen Perspektivwechsel komplett verändert. Es entstehen so viele Konflikte in Beziehungen und Arbeitsverhältnissen durch gelernte Rollenbilder. Diese müssen raus aus den Köpfen. Wenn es uns irgendwann gelingt, diese Relikte der Vergangenheit vollständig abzulegen, ist die Welt definitiv eine bessere.
Die paritätische Teilung innerhalb der Familien ist natürlich nur ein erster Baustein. Der Schlüssel ist der Perspektivwechsel. Durch ihn verstehen alle Beteiligten die Sorgen und Nöte des jeweils anderen besser. Insbesondere für Führungskräfte wünsche ich mir diese Erfahrung. Von diesen kann das Thema dann auf alle anderen ausstrahlen.
Ein positiver Effekt in Bezug auf die Familien wäre beispielsweise die Reduzierung von Konflikten in der Partnerschaft. Volkswirtschaftlich könnte diese Entwicklung sich immens positiv in Bezug auf den Fachkräftemangel auswirken, da wir früher oder später mehr Frauen mit kürzerer Babypause und entsprechend mehr Berufserfahrung hätten.
Das war nicht geplant. Ich habe am Anfang nur Notizen gemacht, um diese besondere Zeit für mich selbst festzuhalten. Doch dann habe ich so viele merkwürdige Dinge erlebt und bemerkenswerte Rückmeldungen erhalten, dass ich begann etwas ausführlicher zu schreiben. Und irgendwann stellte ich fest, dass ich eine Botschaft habe und diese gerne mit der Gesellschaft teilen möchte. Das Buch war geboren.
Ja, nach meiner Elternzeit bin ich zunächst in Teilzeit (22h/Wo) in meinen alten Job zurück. Mittlerweile habe ich gegründet und arbeite als Immobilienmakler.
Meine Frau arbeitet Vollzeit in Ihrer Praxis. Da ich aber der Flexiblere von uns beiden bin, fange ich es in der Regel auf, wenn mit den Kindern etwas sein sollte.
Das hat sich so ergeben. Aber Dinge ergeben sich auch aus Gesprächen. Es geht darum, die gesamte Familie zu berücksichtigen und dabei die individuellen Interessen hintenan zu stellen. Insgesamt haben wir viele sehr grundlegende Entscheidungen getroffen, um die Vereinbarkeit überhaupt zu ermöglichen.
Der Quereinstieg in die Allgemeinmedizin meiner Frau war der erste Schritt. Es ging dabei auch darum, familientauglichere Arbeitszeiten für sie zu schaffen. Keine Nachtdienstwochen mehr, keine 24h-Dienste, etc. Als sie dann Allgemeinmedizinerin war, haben wir uns gezielt nach einer Praxis für sie umgesehen. Die Praxis sollte etwas Entschleunigung für uns alle bringen. So sind wir an der Ostsee gelandet.
Als dritten Schritt bin ich aus dem Angestelltenverhältnis in die Selbstständigkeit gewechselt. Als mein eigener Chef ist es mir so möglich meine Arbeitszeit frei zu gestalten und im Zweifelsfall für die Kinder da zu sein.
Es ist vor allem nach Kompetenzen aufgeteilt. Ich koche, kaufe ein, mache die Wäsche. Meine Frau macht häufiger sauber als ich. Die Carearbeit teilen wir uns bestmöglich auf.
Es wird immer mal wieder in seinen Details angepasst. Das Leben verändert sich. Da muss man dann drauf reagieren.
Tatsächlich nein. Wir haben aber auch nie welche gesucht.
Definitiv, dass man seine eigenen Bedürfnisse nicht vergisst. Das gilt für meine Frau genauso, wie für mich.
Ich bin stressresistenter und gelassener geworden. Ich habe den Eindruck, strukturierter geworden zu sein. Zudem habe ich gelernt, Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und zu werten.
Davon bin ich überzeugt. Ich bin ein anderer Mensch als vorher und arbeite seitdem fokussierter als zuvor.
Ich selbst kann mich da nicht beschweren. Sicherlich gab es da ab und an Sprüche zwischen den Zeilen – von oben – oder richtig blöde Sprüche – nicht von oben: „Ey, Herr Kronsberger, ich hab gehört, Sie sind jetzt Mutti!“ Daran muss man sich erst mal gewöhnen. Aber im Großen und Ganzen bin ich im Job nicht diskriminiert worden. Bei meiner Frau gab es da schon eher Situationen, die als Diskriminierung zu verstehen sind. Vor allem der psychische Druck von Chefs in Bezug auf Kinderkrank-Tage war häufiger mal Thema.
Ein schönes Beispiel ist vielleicht, dass ich neulich unseren kranken Sohn in die Praxis meiner Frau brachte. Eine ihrer Angestellten hat dann für eine Stunde nach ihm gesehen und ich konnte einen wichtigen Termin wahrnehmen.
Macht das, was für alle Beteiligten eurer Familie das Richtige ist. Lasst Euch dabei nicht von irgendwelchen vermeintlichen gesellschaftlichen Konventionen beeinflussen. Ihr arbeitet für die Familie und nicht anders herum.
Ich bin dafür. Es muss selbstverständlich werden, dass Väter für Ihre Familie da sind, wenn es darauf ankommt. Die Vaterschaftsfreistellung ist kein Allheilmittel, aber ein Schritt in die richtige Richtung.