Tobias Lühn und seiner Frau war schon bevor sie Kinder bekommen haben klar, dass sie eine gleichberechtigte Partnerschaft wollen, in der beide beides machen. Er arbeitet Vollzeit als Business Development Manager und seine Frau in reduzierter Vollzeit in Projektmanagement. Gemeinsam haben sie drei Kindern im Alter zwischen 5 und 12 Jahren.
Unser Vereinbarkeitsmodell hat sich so ergeben und entwickelt sich tagtäglich weiter. Allerdings war uns von Anfang an klar, dass wir in einer gleichberechtigten Partnerschaft leben möchten. Also in einer Partnerschaft, in der wir uns alle Aufgaben gleichberechtigt und gleichverantwortlich teilen. Angefangen bei der Kindererziehung über das Putzen, Kochen, Wäschewaschen, Einkaufen bis hin zu Familieneinkommen erwirtschaften.
Für uns ist es eine normale Notwendigkeit Beruf und Familie unter einen Hut bringen zu müssen
Da wir es beide wichtig finden, berufstätig zu sein und nicht eine*r von uns sich ausschließlich um Haushalt und Kinder kümmert. Das schafft in gewisser Weise eine finanzielle Abhängigkeit und damit ein Ungleichgewicht in einer Beziehung, die wir nicht möchten. Es wäre uns beiden auch dauerhaft nicht genug, „nur“ die Kindererziehung zu übernehmen.
Zudem kommt noch hinzu, dass wir uns einen gewissen Lebensstil – eigenes Haus/ Urlaube mit drei Kindern/ Restaurantbesuche etc. – nur leisten können, wenn wir beide arbeiten gehen.
Wir waren uns von Anfang an einige, dass wir beide beides wollen. Konkret besprechen mussten wir nichts. Lediglich bei der Elternzeit haben wir uns zusammen gesetzt und überlegt, wer wann und wie lange Elternzeit nimmt. Bei unserer Tochter (2010) bot es sich an, dass ich ein Jahr Elternzeit nehme. Bei den beiden Söhnen ist meine Frau dann für jeweils ein Jahr in Elternzeit gegangen.
Da wir beide arbeiten gehen, ist die Ganztagsbetreuung der Kinder ein wichtiger Bestandteil unseres Modells. Die Aufgaben des täglichen Lebens werden so aufgeteilt, wie es gerade am besten passt. Selbstverständlich ist hierzu sowohl eine gute Kommunikation und als auch eine gute Organisation notwendig.
Da ich, wenn ich nicht gerade auf Dienstreise bin, zu 100 Prozent im Homeoffice arbeite, kann ich meine Arbeitszeit sehr flexibel gestalten. Meine Frau ist in ihren Kernarbeitszeiten mehr beschränkt. Ein wesentlicher Grund, weshalb sie auf 30 Stunden reduzieren hat. Nur so kann sie für die Kinder da sein, wenn ich auf Reisen bin, da wir keine Großeltern oder Verwandte als back-up haben.
Notfallsituationen werden durch ein Netzwerk von Freund*innen und Bekannten aufgefangen.
Die Kinder werden älter und dadurch hat sich unser Familienleben selbstverständlich auch verändert. Wir müssen ständig alle Rhythmen und Modelle anpassen und verändern. Vieles lässt sich nicht planen. Dann muss auch schon mal ad hoc ein neuer Prozess gefunden werden.
Nein.
Ganz oben steht da das Zeitmanagement. Besonders dann, wenn es zu unvorhergesehenen Terminen oder zu Extremsituationen wie lange Reisen oder Krankheit kommt.
Eine ganz persönliche Herausforderung ist es, immer das Gefühl zu haben, dass man nicht genug Zeit für die Kinder hat und gleichzeitig das Paar-/Eheleben nicht aus den Augen zu verlieren.
Von Seiten des Vorgesetzten ist da immer die Herausforderung, die notwendige Flexibilität zu erhalten und nicht nur an den geleisteten Arbeitsstunden gemessen zu werden. Also die Herausforderung, starr an feste Arbeitszeiten gebunden zu sein.
Mit den Familienkompetenzen oder auch „soft skills“ ist wie beim Schwimmenlernen. Ich kann 1.000 Bücher darüber lesen und theoretische Kurse besuchen, ich werde aber erst schwimmen lernen, wenn ich selbst ins Wasser springe.
Erst durch meine Kinder habe ich wirklich gelernt, Prioritäten zu setzen. Aber auch meine Resilienz ist selbstverständlich heute sehr viel größer als sie das noch vor der Zeit mit den Kindern war.
Auf jeden Fall. Gerade im Umgang mit Kund*innen und Kolleg*innen kann es schon mal gut sein, etwas mehr Geduld zu haben und zu wissen, wo die eigenen Prioritäten liegen.
Ja, ich habe gewisse Jobs nicht bekommen, weil ich so lange in Elternzeit war. Aber auch, weil ich Vater von drei Kindern bin und man mir unterstellt, dass ich als ausgewiesener Familienmensch meinem Job nicht die notwendige Priorität gebe.
Hinzu kommt, dass wir „früh“ eine Familie gegründet haben. Sicherlich ein Grund, weshalb wir auf der Karriereleiter nicht so schnell aufgestiegen sind und heute eine Stufe unter Nachbar*innen und Freund*innen zurückgeblieben sind, die erst später Kinder bekommen haben.
Grundsätzlich finde ich, dass Eltern keine Sonderbehandlung brauchen. Es kommt immer auf die Flexibilität an, die alle Parteien bereit sind zu geben. Diese Flexibilität sollte aber allen Mitarbeitenden eingeräumt werden. Egal ob er/ sie Kinder hat oder nicht.
Aber abgesehen davon, habe ich eine tolle Unterstützung durch meinen direkten Vorgesetzten. Meine Frau leider nicht immer. Das liegt aber nicht an ihrem direkten Vorgesetzten, sondern eher an einer sehr konservativen Firmenkultur.
Unterstützung vom Team, also von Kollegen oder gegenüber von Kollegen sollte man lieber nicht erwarten. Das führt nur zu Spannungen.
Nur nicht stressen lassen und den eigenen Weg finden. Also nicht irgendwelchen vermeintlichen Normen oder Werbeimages nachzueifern, sondern sich auf sich selbst verlassen.
Nicht schüchtern sein, sondern um Hilfe bitten.
Sich immer wieder mit anderen auszutauschen. Dann merkt man schnell, dass auch bei den anderen nicht immer alles super ist und auch diese mal negative Gedanken haben. Das auszusprechen, beruhigt.
In Bezug auf den Arbeitgebenden ist es ganz wichtig, von den Vorgesetzten unterstützt zu werden und Flexibilität zu bekommen. Wenn schon beim Bewerbungsgespräch irgendetwas in Richtung familienunfreundliches Unternehmen deutet, sollte man es lieber gleich lassen.
Ganz allgemein gesprochen, gibt es kein richtig oder falsch. Ich empfehle: Ausprobieren, lernen und viel Kommunikation unter allen Beteiligten.