Vaterwelten – Eine Lobby für Väter

Heiner Fischer, Gunter Beetz und Martin Noak haben gemeinsam das Unternehmen "Vaterwelten" gegründet. Wir haben mit ihnen über Vaterschaft, Diskriminierung von Vätern und ihr Angebot gesprochen.

Nicole Beste-Fopma
Journalistin & Autorin

Wo sind Eure Kinder, wenn Ihr arbeitet?

Heiner: Wenn du Erwerbsarbeit meinst, ist meine Tochter bis 15 Uhr in der Offenen Ganztagsgrundschule (OGS) und mein Sohn ist bis 15 Uhr im Kindergarten. Davor und danach arbeite ich in der Familie. Die Unterscheidung ist mir wichtig, denn Sorgearbeit ist unsichtbar und findet entsprechend wenig Wertschätzung.

Wir sprechen heute viel über die „neuen Väter“. Wie würdet Ihr einen solchen Vater bezeichnen?

Martin: Einen neuen Vater kennzeichnet, dass er sich partnerschaftlich an Haus- und Familienarbeit beteiligt, einfühlsam mit seinen Kindern umgeht und Carearbeit als persönlichen Gewinn begreift. Ein solcher Vater ist in meiner Wunschvorstellung nicht the new one sondern the normal one. Für eine solche aktive Vaterrolle benötigen Männer die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und den Mut aus ihrer sozial erworbenen Rollenmustern auszubrechen.

Sind diese Väter wirklich „neu“?

Martin: In Deutschland haben Generationen von Vätern gelebt, in der eine Vielzahl von Männern aufgrund der Zäsur des 2. Weltkriegs und später durch Wirtschaftswunder physisch und psychisch abwesend waren. Auch in der Forschung spielte die Vaterrolle lange Zeit kaum eine nennenswerte Rolle. Vor diesem Hintergrund ist das gesellschaftliche Bild des greifbaren und emotional präsenten Vaters neu.  

Gunter: Ich arbeite in meinen Seminaren und Coachings gerne mit dem Modell der Spiral Dynamics (Beck/Cowan). An dieser Stelle vereinfacht dargestellt, geht es in diesem Modell um unterschiedliche Bewusstseinsebenen, wie das Thema Vaterschaft, mit seinem einhergehenden Rollenverständnis, betrachtet werden kann. „Neue“ Väter sind in diesem Verständnis kein neues Phänomen, sondern in jeder Generation Väter gibt es „neue Väter“, die eine differenzierte Betrachtungsweise auf ihre eigene Rolle in der Familie erlernen und vorleben.

Wo seht Ihr die größten Herausforderungen für Väter?

Heiner: Seit mein Chef mir sagte, ihr könne nur zwei Monate Elternzeit machen und nur in Vollzeit arbeiten, setze ich mich vor allem mit den Erwartungen und Ansprüchen auseinander. Vereinbarkeit ist immer noch ein „Frauenproblem“ und gleichzeitig gibt es 1,7 Mio Väter, die aktuell überlegen, den Job für eine bessere Vereinbarkeit zu kündigen. Ich habe mir dann auch einen neuen, familienfreundlicheren Arbeitgeber gesucht und beim zweiten Kind wieder Elternzeit angemeldet. Meine Chefin überraschte mich mit den Worten: „Jetzt stelle ich schon einen Mann in Teilzeit ein und dann nimmt der auch noch Elternzeit.“ Ich habe auch gekündigt und Vaterwelten gegründet. Es gibt viel zu tun.

Gunter: Der Lebensübergang vom Mann zum Vater ist sicherlich einer der bedeutendsten in einer Lebensbiografie. Leider bereiten sich immer noch die wenigsten Männer (aber auch Paare) bewusst darauf vor. Auf die Geburt schon, jedoch leider nicht auf all die Veränderungen danach. Die Zeit mit einem Säugling und die einhergehende Doppelbelastung zwischen Arbeit und Familie bedeutet für viele junge Eltern Stress. Stress verändert unser neuronales Netzwerk und wir schalten in eine Art „Autopiloten“, um die Herausforderungen im Alltag zu meistern. Doch dieser „Autopilot“ ist mit all den alten Rollenmustern programmiert. Nicht in diese alten Muster zu verfallen ist für mich eine der größten Herausforderungen für jede Familie.

43 Prozent der Paare wollen sich die Familien- und Erwerbsarbeit paritätisch aufteilen. Nur 17 Prozent schaffen das auch tatsächlich. Warum ist das aus Eurer Sicht so?

Gunter: Transformative Veränderung, hin zu einer wirklichen Gleichstellung in der Familie, benötigt drei wichtige Grundsätze: eine Haltung, eine gemeinsame Sprache und sichere Räume.  Diese sind unverzichtbar um die eigenen Denk-, Fühl-, und Handlungsmuster immer wieder hinterfragen und verändern zu können. Um eine eigene Haltung zur Vaterrolle zu entwickeln, benötigen Männer Vorbilder oder ein erfahrenes Gegenüber, was es meistens nicht gibt. Da sich beide Eltern neu in ihrer Elternrolle einfinden müssen muss sich eine gemeinsame Sprache erst entwickeln. Und leider sind die Strukturen für Familien häufig nicht so, dass sie einen sicheren Raum bieten.

Auch Väter werden diskriminiert, wenn sie beispielsweise länger als zwei Monate in Elternzeit gehen. Die Vaterschaftsfreistellung wurde immer wieder aufgeschoben. Ein Kündigungsschutz für werdende Väter – Fehlanzeige. Warum gehen die Väter nicht längst auf die Straße und kämpfen für mehr Rechte?

Heiner: Es gibt keine Lobby für Väter, geschweige denn für Eltern. Das haben wir schon in der Corona Pandemie gesehen, wie sehr Eltern benachteiligt werden. Väterarbeit ist nach wie vor eine Nische, womit sich keine Politik machen lässt. Gleichzeitig denken Väter immer noch, sie wären alleine mit ihrem Problem und kommen nicht auf die Idee, sich zu vernetzen. Zwar wird das Bewusstsein für Elternzeit immer größer, allerdings nehmen Väter in Deutschland durchschnittlich nur 3,7 Monate.

Martin: Deswegen engagieren wir uns im Bundesforum Männer, sitzen in den Fachgruppen und unterstützen die Arbeit an der Schnittstelle Politik und Familienberatung vor Ort. Heiner ist bei der LAG Väterarbeit NRW aktiv und ich in der LAG Väterarbeit Hessen. Nicht nur individuelle Veränderungen, sondern auch strukturelle und politische sind uns sehr wichtig. Es geht nur gleichzeitig.

Was bedeutet „Vater sein“ für jeden einzelnen von Euch?

Heiner: Schon als Jugendlicher war mir klar, dass ich später ein aktiver Vater sein möchte, ohne aber zu wissen, wie das genau geht. Dass ich jetzt schon vieles anders mache als mein Vater, ist mir dabei sehr wichtig. Ich habe ihn als abwesenden und emotionslosen Mann erlebt, der nicht über seine Gefühle sprach. Meine Kinder begleite ich durch die Gefühle und zeige auch meine Emotionen. Ich kann mich entschuldigen und auch klare Grenzen setzen, ohne verletzend zu sein. Ob ich das alles aber gut mache, weiß ich nicht, das sollen meine Kinder später mal beurteilen. Ich freue mich schon auf die Gespräche und bin gespannt, wie sie über mich sprechen werden.

Gunter: Ich versuche die unterschiedlichen menschlichen Qualitäten in meiner Vaterrolle bewusst mit meinen Kindern zu leben. Als Trennungspapa versuch ich Räume zu schaffen, in denen meine Kinder Zugehörigkeit und Verbindung spüren, Kind sein dürfen, ich versuche meinen Töchtern zu ermöglichen, sich in der Familie zu verwurzeln, obwohl wir uns getrennt haben und nicht mehr das klassische Familienmodell leben. Ich hinterfrage regelmäßig mit anderen Vätern meine Rolle. Als Vater lebe ich bewusst Werte und Normen vor, stelle Strukturen und Regeln zur Verfügung. Ich versuche meinen Töchtern „Vertrauen ins Leben“ zu vermitteln. Dieses Vertrauen muss ich mir mit jedem Entwicklungsschritt meiner Kinder selbst immer wieder neu erarbeiten.    

Wie vereinbart Ihr Beruf und Familie?

Heiner: Meine Frau arbeitet in 28 Stunden Teilzeit als Logopädin auf der Intensivstation im örtlichen Krankenhaus. Sie hat einen geregelten Job und hat feste Zeiten, in denen sie arbeiten muss. Ich arbeite 30 Stunden flexibel für Vaterwelten. Wir teilen uns die Betreuung der Kinder auf, bringen sie abwechselnd ins Bett und jeder von uns kennt und weiß alles über- und voneinander. Ab 15 Uhr verbringen wir als Familie gemeinsame Zeit, wenn die Kinder nicht beim Turnen oder Reiten sind. Jeden Abend sprechen wir über unseren Familienalltag und organisieren ihn in digitalen Tools. So sind wir immer auf dem aktuellen Stand.

Gunter: Sowohl die Mutter der Kinder als auch ich arbeiten in Teilzeit (32h). Nach der unserer Trennung haben wir viele Jahre im Nestmodell gewohnt, d.h. wir hatten eine Familienwohnung und wir Elternteil sind zwischen den Wohnungen gependelt. Für die Kinder war das toll, denn sie mussten sich z.B. nie fragen, wo sie sich verabreden sollen. Sie hatten ein festes Zuhause.

Was genau ist Euer Angebot?

Martin: In Unternehmen gründen wir Väternetzwerke und halten Vorträge, Workshops und führen Führungskräfte-Seminare durch. Vaterwelten ist aber auch eine Online-Plattform für Aktive Vaterschaft & Neue Vereinbarkeit. Wir bringen Väter, Unternehmen und Angebote der Familienbildung in dieser großen Community zusammen. Damit bieten wir das HR-Tool für väterorientierte Personalentwicklung an.

Heiner: Genau. Wir erreichen Väter in jeder Lebensphase und holen sie während der Arbeitszeit oder abends an unser digitales Lagerfeuer. Väter, die keinem Unternehmen oder über die Familienbildung zu uns kommen, haben über die PLUS-Mitgliedschaft die Möglichkeit am Video-Meeting mit maximal 10 Personen teilzunehmen. Über unsere Plattform bieten wir mit unserem Kooperationspartner ElternLeben.de vergünstigte Online-Kurse zu unterschiedlichen Themen rund um Kinder und Partnerschaft an. Wir sagen, wer Frauen in Führung bringen will, muss Väter in der Familie stärken.

Gunter: Wir werden noch einen Verein gründen und sind unter den 100 Stipendiaten des StartSocial Programms. Mit dem Verein wollen wir eine ehrenamtliche Struktur aufbauen, die einerseits Väterangebote vor Ort durchführt und gleichzeitig Fachkräfte aus- und weiterbilden, die Väterarbeit z.B. als Hebamme, Erzieher*in oder Sozialpädagog*in anbieten.

Heiner: Wir wollen der Anbieter von Väterangeboten in Deutschland werden und Unternehmen, Väter und Angebote der Familienbildung vor Ort miteinander vernetzen.

Ergänzt Ihr Euch da gegenseitig?

Heiner: Absolut. Wir haben schon in anderen Projekten erfolgreich zusammengearbeitet und festgestellt, dass unsere unterschiedlichen Herangehens- und Denkweisen ein Mehrwert für Väter, Unternehmen und uns selbst sind. Wir finden gerade unsere Rollen und wachsen in die Aufgaben. Ich bin Väter- und Männerberater und gleichzeitig der Techniker, habe die Plattform aufgebaut und stehe viel auf Bühnen und sitze in Panels.

Martin: Wir arbeiten alle an der Basis mit Vätern und Mitarbeiter*innen in Unternehmen. Mein Fokus liegt auf Top-Führungskräfte Coaching und der Kompetenzentwicklung von Männern und Vätern.

Gunter: Ich begleite werdende Väter in Geburtsvorbereitungskursen und Lebensphasenübergängen. Das können Trennungen sein aber auch die Orientierungskrise vom Mann zum Vater. Dafür gehe ich gerne in meinen Wald bei Münster, denn dieser besondere Ort ist ein wunderbarer Lernort für Austausch und Wachstum. Genau wie die digitalen Lagerfeuer auf unserer Plattform.

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