Wenn alle auf einmal krank werden, dann crasht alles.

Carolina und ihr Mann arbeiten beide in Vollzeit. Wie sie Beruf und Familie vereinbaren, verraten sie uns im Interview.

Nicole Beste-Fopma
Journalistin & Autorin

Carolina Hinrichsen ist CEO & Founder von GOLFBLOCKS GmbH in Vollzeit, verheiratet und Mutter von zwei Jungs (7 und 2,5 Jahre alt). Auch ihr Mann arbeitet Vollzeit. Er leitet den Vertrieb eines Software-Start-ups. Wie die beiden ihren Beruf mit Familie vereinbaren, hat uns Carolina im Interview verraten.

Wie seid Ihr zu Eurem ganz individuellen Vereinbarkeitsmodell gekommen? Wurde alles besprochen, bevor das Kind auf der Welt war oder hat sich das so ergeben?

Wir hatten nicht den „ganz genauen Plan“. Wir kennen uns unser halbes Leben lang – aus besten Freunden wurde vor über 17 Jahren ein Paar. Mit Mitte dreißig wurden wir ganz bewusst Eltern. Unsere Kommunikation ist schon immer auf Augenhöhe. Wir besprechen permanent, wie wir den Alltag gemeinsam wuppen und was die Bedürfnisse jedes Einzelnen dabei sind. Und das meint nicht nur meinen Mann und mich, sondern schließt die Bedürfnisse unserer Jungs nun mit ein.

Wie genau sieht das Modell aus?

In der Anfangsphase der Gründung von GOLFBLOCKS hat mein Mann den Großteil der Kinderbetreuung gestemmt – bis die ersten Mitarbeiter*innen kamen.
Heute arbeiten wir beide Seite an Seite in täglicher Abstimmung. Mit dem Unterschied, dass ich mich noch flexibler eintakten kann, weil ich als Gründerin und CEO meinen „Dienstplan“ nur mit mir selbst ausmache. Allerdings hat er mit seinem Arbeitgeber die wichtige Vereinbarung, dass er täglich zwischen 15 und 18 Uhr nicht erreichbar ist.

In meinem Unternehmen leben wir New Work und ein hohes Maß an Flexibilität. Das zeigt sich sowohl in den Zeiten, in denen wir allein oder gemeinsam arbeiten als auch den Arbeitsorten oder -modellen. Routinen wie Dailys, Software-Tools und die passende Hardware unterstützen uns im Team und machen Mikromanagement überflüssig.
Und manchmal springen auch Kinder in den Meetings im Hintergrund herum – denn so ist unser Leben. Und nur so haben mein Mann ich die Freiheit, wertvolle Zeit mit Familie zu verbringen und trotzdem der Arbeit nachzugehen, die wir lieben.


Ist das Modell heute noch so, wie es am Anfang war oder wurde es immer wieder angepasst?

Es hat sich gewandelt und besonders durch die Gründung weiterentwickelt. Als mein älterer Sohn geboren wurde, hatte ich eine führende vertriebliche Rolle in einem Konzern. Mir war es wichtig, Elternzeit zu nehmen, aber trotzdem nicht ganz raus zu sein. Ich habe daher während der Elternzeit flexibel 5 bis 10 Stunden pro Woche gearbeitet. Aber nie operativ, sondern ausschließlich gemeinsam mit der Geschäftsführung an strategischen Themen. So konnte ich viel Zeit mit meiner Familie verbringen und trotzdem am Unternehmensgeschehen dranbleiben. Das hat sowohl mir als auch meinem Sohn gutgetan. Mein Mann und mein damaliger Geschäftsführer haben mich dabei voll unterstützt.


Nach der Elternzeit bin ich wieder Vollzeit eingestiegen – mein Mann hat immer Vollzeit gearbeitet.

Gute Organisation, genau Absprachen, der gemeinsame Kalender und Unterstützung durch Familie, Kita und Kita-Freunde haben uns im Alltag sehr geholfen. Gleichberechtigung war und ist uns wichtig, ohne viel darüber zu reden. Rückblickend hat es wirklich gut geklappt. Unser Kind war aber im Vergleich und vielleicht auch wegen der „Nature“-Kita erstaunlich wenig krank.

Kind zwei kam im Covid-Lockdown zur Welt. Wir wollten alles genau so wie beim ersten Kind machen. Doch eine komplizierte Schwangerschaft hat mich früher als geplant aus dem Job geholt. Ich hatte auf einmal viel Zeit zum Nachdenken und es entstand die Idee, zu gründen. Etwas für mich in seiner Ganzheit Sinnvolles zu erschaffen inklusive einer noch flexibleren Art der täglichen Vereinbarkeit von Job und Familie. Und da bin ich heute.

Hattet Ihr Vorbilder für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Wenn ja, wen?

Unser familiäres Umfeld ist geprägt von klassischen Rollenbildern. Meine Mutter ist Hausfrau mit Teilzeitjob und hat sich großteils um uns Kids gekümmert. Mein Vater klassischer Unternehmer, der viel unterwegs war.

Was uns klar war: Dieses Modell wollten wir nicht übernehmen. Allerdings haben wir kein Gegenmodell entworfen, wir haben einfach gemacht und intuitiv nachjustiert, wenn es nicht ganz passte. Ein Vorbild hatten wir also nicht.


Welches sind die größten Herausforderungen?

Wenn alle auf einmal krank werden, dann crasht alles.

Welche Familienkompetenzen habt Ihr durch die Erziehung der Kinder erworben?

Wir sind effektiver, schneller, besser organisiert und entscheiden einfach. Wir gehen mit Emotionen offen um und reden darüber. Es ist ok, auch mal wütend zu sein. Das heißt, wir haben uns noch nie zuvor so sehr mit dem Thema Emotionsmanagement auseinandergesetzt wie in den letzten sieben Jahren. Da können wir täglich von unseren Kids lernen.

Könnt Ihr diese Kompetenzen im Job nutzen?

Definitiv. Emotionen gibt im Job ja so einige. Damit offen umgehen im Unternehmen finde ich wichtig und macht unser Team stark. Gelernte Methoden wende ich an, ob bei mir in der Selbstführung oder auch im Teambuilding. Und die Ergebnisse sind oft verblüffend großartig.

Habt Ihr im Job Diskriminierung erfahren, weil Ihr Eltern seid?

Ja, leider auch. Ich wurde in Schubladen gepackt und mit offenen Anfeindungen und Unterstellungen konfrontiert. Sowohl durch Kollegen*innen als auch Kund*innen.
Mein Learning daraus: Bleibe bei dir selbst, konzentriere dich auf deinen Weg. Akzeptiere andere Meinungen. Anecken ist nichts Schlimmes. Irgendwem tritt man irgendwie immer auf die Füße.

Werdet Ihr im Job von Eurem*r Vorgesetzten und dem Team unterstützt?

Ja, definitiv. Mein Mann erfährt große Unterstützung und Flexibilität und ich kann mich auf mein Team verlassen, wenn ich mal nicht kann.
Ich weiß aber aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, dass das echt besonders ist und bedauerlicherweise längst nicht alle so ein Glück haben.


Welchen ultimativen Tipp habt Ihr für junge Eltern, die Beruf und Familie vereinbaren wollen?

- Viel miteinander reden. Klarheit darüber entwickeln, was für einen selbst der richtige Weg ist und das im permanenten Austausch als Paar berücksichtigen.

- Gemeinsame Routinen schaffen und immer zwei Betreuungs-Back-Ups für Notfälle parat haben – denn die werden kommen.

- Sich nie entmutigen lassen und sich mit Gleichgesinnten austauschen und so Neues entdecken, was für einen selbst hilfreich ist.

- Zeit für sich und als Paar gezielt zu nehmen und fest einplanen.

- Am Ball bleiben und nicht im Alltag untergehen, nie aufhören, miteinander zu sprechen und dem anderen zuhören.

- Sich nicht von anderen durch ungefragte Kommentare oder Meinungen beeinflussen zu lassen.

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