Studien zum Thema Stress zeigen immer wieder, dass insbesondere Eltern unter Strom stehen. Wer selbst Familie und Beruf vereinbart, den wundert es nicht, dass jeder Vierte die Ursache für Stress in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sieht. Überraschend ist jedoch, dass 43 Prozent aller gestressten Eltern als Ursache für ihre Belastung die hohen Ansprüche an sich selbst angeben. Alles hausgemacht also? Wir fragen die hypnosystemische Coachin und Managementberaterin Aniko Cerne, wie es zu so hohen Ansprüchen kommt und wie man sie loswerden kann.
Unsere Gesellschaft in Deutschland befindet sich im Umbruch. Die bisherigen Rollenbilder passen nicht mehr, und es gibt aber noch zu wenige neue Vorbilder. So vermischen sich Ansprüche aus der „alten Welt“ mit den Anforderungen der „neuen“. „Die neuen Väter“ wollen sich mehr in die Kindererziehung einbringen, und für Mütter nimmt die berufliche Entwicklung einen höheren Stellenwert ein als früher. Keiner macht sich das Leben bewusst schwer. Es sind die vielen Ansprüche und Erwartungen von Außen und an sich selbst, die wir „ungeprüft“ annehmen und uns damit überladen – unbewusst.
Meiner Erfahrung nach tun sich Frauen hier schwerer. Sie haben oft den Anspruch – bewusst oder unbewusst – immer, für alles und jeden verantwortlich zu sein. Der Perfektionsanspruch ist bei Frauen oft sehr hoch. Aber auch Männer haben Herausforderungen, ihre neue Rolle im Alltag zu definieren: verantwortungsvoller Vater und beruflich erfolgreich. Doch eins fällt den meisten Menschen schwer: Nein zu sagen und sich positiv abzugrenzen. Grenzen setzen und gut für sich sorgen muss nicht auf Kosten der Mitmenschen gehen. Ganz im Gegenteil! Wenn ich gut für mich sorge, geht es mir gut und ich kann im Leben viel kraftvoller agieren und das Leben erfüllter gestalten.
Recht typisch ist der Anspruch der perfekten Erfüllung all der verschiedenen Rollen. In der Praxis heißt dies: Man ist beruflich erfolgreich, lebt in einer erfüllten Partnerschaft, hat kluge, brave Kinder, die natürlich sehr gut in der Schule sind. Man ist immer für sie da, in einem perfekten Heim, ist ehrenamtlich engagiert, treibt mit Freude Sport, sieht gut aus, ist beliebt im Freundeskreis. Diese Liste kann man beliebig fortführen... oder besser gesagt das Märchen. Das Leben ist aber nicht perfekt.
Hohe Ansprüche sind per se auch nicht schlecht. Es geht eher darum herauszufinden, was für mich persönlich hilfreich ist. Welche Ansprüche sind erfüllbar und wie will ich sie priorisieren? Das Hamsterrad sieht von innen aus wie eine Leiter, die mich voran bringt. Und doch komme ich kein Stück weiter.
Wichtig ist, dass nicht noch eine neue To-Do Liste zu den bereits bestehenden dazu kommt und somit der Druck noch mehr erhöht wird. Daher arbeiten wir im Seminar kontinuierlich auch am Transfer in den Alltag. Durch die Veränderung der inneren und auch äußeren Haltung kann man große Schritte der Veränderung nachhaltig gehen. Nach dem Motto: Was interessiert es den Berg, wenn der Wind um ihn weht.