Deutschland hat gewählt. Nach acht Jahren GroKo (Große Koalition aus CDU/CSU und SPD) ist jetzt eine Regierung aus Sozialdemokraten, Bündnis 90/Die Grünen und Freien Demokraten an der Macht. In den vergangenen Jahren hat sich in der Politik einiges im Bereich der Vereinbarkeit getan. Kitaplätze wurden ausgebaut, das Recht auf U3-Betreuung verabschiedet, ElterngeldPlus eingeführt. Welche Pläne hat die Ampelkoalition? Noch immer ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Nicht zuletzt, weil noch immer Kinderbetreuungsplätze fehlen. Aber auch, weil bisher die Väter noch nicht ausreichend mit berücksichtigt wurden.
Um Beruf und Familie gut vereinbaren zu können, ist eine zuverlässige, qualitativ hochwertige Kinderbetreuung essentiell. Seit Jahren arbeitet die Politik am Ausbau der Kinderbetreuungsplätze. Allein die Kitapätze in der Betreuung der unter Dreijährigen sind laut dem Institut der deutschen Wirtschaft in Köln zwischen 2015 und 2020 von 693.000 auf 829.000 gestiegen. Das Ergebnis: 2018 wurden bereits 41 Prozent der Einjährigen und 67 Prozent der Zweijährigen in einer Krippe oder Kita betreut. Der Betreuungsausbau konnte aber dennoch nicht mit der Bedarfsentwicklung Schritt halten. Aktuell fehlen 342.000 Plätze. Insbesondere in den größeren Städten, aber auch auf dem Land. Auch die Ampelkoalition will sich weiterhin für den Ausbau der Ganztagsangebote einsetzen.
„Wir werden den Ausbau der Ganztagsangebote mit einem besonderen Augenmerk auf die Qualität weiter unterstützen.“
Schon seit Jahren fordern insbesondere junge Berufseinsteigende von ihren Arbeitgebenden die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort. Sie wollen keine starren Rahmenbedingungen mehr, sondern remote arbeiten. Im Homeoffice, in einem Co-Working Space oder im Café. Die Pandemie hat gezeigt: Es geht. Laut den Ökonomen der Europäischen Zentralbank (EZB), Paloma Lopez-Garcia und Bela Szörfi, hat die Corona Pandemie nicht nur die Digitalisierung beschleunigt. Es gab auch einen Anstieg der Arbeitsproduktivität, also die Wirtschaftsleistung pro Arbeitszeit, um etwa zwei Prozent gegenüber der Vor-Corona-Zeit. Zwar möchte die neue Regierung am Grundsatz des 8-Stunden-Tages im Arbeitszeitgesetz festhalten, aber gleichzeitig auch auf diese Veränderungen in der Arbeitswelt reagieren.
„Im Rahmen einer im Jahre 2022 zu treffenden, befristeten Regelung mit Evaluationsklausel werden wir es ermöglichen, dass im Rahmen von Tarifverträgen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen und in einzuhaltenden Fristen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können.“
Homeoffice und Telearbeit werden vielfach noch synonym verwendet. Während für die Telearbeit aber klare Verordnungen gelten, gibt es keinerlei Regelungen für das Arbeiten im Homeoffice. Das möchte die Regierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP jetzt ändern.
„Homeoffice grenzen wir als eine Möglichkeit der Mobilen Arbeit rechtlich von der Telearbeit und dem Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung ab. Arbeitsschutz, gute Arbeitsbedingungen und das Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes sind bei mobiler Arbeit wichtige Voraussetzungen.“
Neben ausreichend Kinderbetreuung ist die Unterstützung im Haushalt ein wichtiger Faktor bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch bei der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Wer eine Haushaltshilfe anstellt, kann bisher 20 Prozent oder maximal 4000 Euro jährlich von der Steuer absetzen. Künftig soll es für alle, die eine "familien- und alltagsunterstützende" Dienstleistung in Anspruch nehmen, eine Zulage oder einen Gutschein geben. Die neue Regierung plant jetzt zusätzliche steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse.
„Die Zulagen und die bestehende steuerliche Förderung werden verrechnet. Sie dient der Förderung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung im Haushalt. Profitieren sollen zunächst Alleinerziehende, Familien mit Kindern und zu pflegenden Angehörigen, schrittweise alle Haushalte.
Seit die Bundesregierung 2007 beim Elterngeld die zwei zusätzlichen Partnermonate eingeführt hat, nehmen immer mehr Väter diese in Anspruch. Gingen laut Statista im Jahr 2006 nur fünf Prozent der Väter in Elternzeit, waren es 2020 bereits 25 Prozent. Noch immer nimmt die Mehrzahl dieser Väter lediglich die üblichen zwei Partnermonate. Obwohl laut den Ergebnissen der 2015 unter 1.000 Elternzeitvätern durchgeführten Commerzbank-Studie schon damals 70 Prozent der Väter gerne länger in Elternzeit gehen würden.
„Die Partnermonate beim Basis-Elterngeld werden wir um einen Monat erweitern, entsprechend auch für Alleinerziehende.“
Eine klare Regelung zur Freistellung des zweiten Elternteils direkt nach der Geburt eines Kindes gibt es noch nicht. Um EU-weit Mindeststandards der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige festzulegen, wurde bereits 2019 die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie beschlossen. Eine Richtlinie, die bis August 2022 in nationales Recht umgesetzt werden soll. Die zweiwöchige Vaterschaftsfreistellung nach der Geburt inklusive einem Lohnersatz in Höhe des Krankengeldes ist ein wesentlicher Bestandteil der Richtlinie.
„Wir werden eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes einführen.“
Im vergangenen Jahr gelang es der Initiative #proparents gemeinsam mit den Zeitschriften Brigitte und Eltern eine Petition zur Stärkung der Rechte von Eltern in den Petitionsausschuss des Bundestages zu bringen. Ihre Forderung: Eltern sollen besser vor Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt geschützt werden.
Ein erster Schritt dahin ist nun im Koalitionsvertrag festgehalten. So soll der elternzeitbedingte Kündigungsschutz um drei Monate nach Rückkehr in den Beruf ausgeweitet werden, um so den Wiedereinstieg abzusichern. Bisher kann der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit kündigen. Es muss lediglich die Kündigungsfrist von drei Monaten eingehalten werden.
„Wir verlängern den elternzeitbedingten Kündigungsschutz um drei Monate nach Rückkehr in den Beruf, um den Wiedereinstieg abzusichern.“
Darüber hinaus sollen die Kinderkrankentage pro Kind und Elternteil von 10 auf 15 Tage erhöht werden. Was bleibt ist die Altersgrenze. So können auch zukünftig die Kinderkrankentage nur für Kinder bis zu einem Alter von 12 Jahren in Anspruch genommen werden. Keine Altersbeschränkung gibt es bei Kindern mit Behinderung.
„Wir werden die Kinderkrankentage pro Kind und Elternteil auf 15 Tage und für Alleinerziehende auf 30 Tage erhöhen.“
Elterngeld zu beantragen ist eine Wissenschaft für sich und steht unserer Steuererklärung in nichts nach. Bemessungszeitraum. Ausklammerungstatbestand. Elterngeld-Brutto. Elterngeld-Netto. Wer da durchblicken möchte, muss sich intensiv einarbeiten. Die neue Regierung verspricht, alles einfacher zu machen. Konkret wird sie in ihrem Koalitionsvertrag allerdings nicht. So schreibt sie: „Wir werden das Elterngeld vereinfachen, digitalisieren und die gemeinschaftliche elterliche Verantwortung stärken.“ Es bleibt also abzuwarten, was damit im Detail gemeint ist.
Etwas konkreter wird es, wenn es um die Erweiterung des Anspruches auf Elterngeld für Frühchen geht. Hier will die Koalition die Ansprüche „für die Eltern, deren Kinder vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, erweitern.“ Bereits im vergangenen Jahr hatte es diesbezüglich eine Erweiterung gegeben. Seit 01.09.2021 erhalten Eltern, deren Kind mindestens sechs Wochen vor dem errechneten Termin geboren wurde, einen zusätzlichen Monat Basiselterngeld. Für ein Kind, das acht Wochen zu früh geboren wurde, gibt es zwei zusätzliche Basiselterngeldmonate, bei zwölf Wochen drei Monate und bei 16 Wochen vier. Auch diese zusätzlichen Basiselterngeld-Monate können in ElterngeldPlus umgewandelt werden.
Auch anpacken möchte die neue Regierung den Basis- und Höchstbetrag beim Elterngeld. Dieser soll dynamisiert werden. Zur Zeit erhalten Eltern, sofern sie alle Voraussetzungen erfüllen, mindestens monatlich 300 Euro Elterngeld bzw. maximal monatlich 1800 Euro. Seit 2007 ist das Elterngeld nicht an die Inflation angepasst worden. Aber alleine schon um die Inflationsentwicklung auszugleichen, müsste der Mindestbetrag um 54 Euro pro Monat angehoben werden.
Väter nehmen noch immer zu einem großen Prozentsatz lediglich die zwei Partnermonate Elterngeld in Anspruch. Was zum einen auf Bedenken vor Repressalien am Arbeitsplatz zurückgeführt werden kann, aber auch auf die Tatsache, dass das Elterngeld zu maximal monatlich 1800 Euro ausgezahlt wird. Für viele Familien nicht genug. Konkret wird die Koalition nicht, aber in ihrem Vertrag kündigt sie nun die Dynamisierung an.
„Wir werden den Basis- und Höchstbetrag beim Elterngeld dynamisieren.“
Wer sich um pflegebedürftige Angehörige kümmert und erwerbstätig ist, steht noch mal vor ganz anderen Herausforderungen als Eltern mit Kindern. In aller Regel sind Pflegezeiten noch weniger planbar, als die Betreuung von Kindern. Meistens wissen die Angehörigen nicht, ab wann und bis wann sie werden pflegen müssen. Mit dem derzeitigen Pflegezeitgesetz haben Angehörige einen Anspruch auf Familienpflegezeit und somit einen Anspruch auf eine teilweise Freistellung für die Pflege naher Angehöriger.
Ab 2022 will die neue Regierung jetzt Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetze weiterentwickeln und pflegenden Angehörigen nicht nur mehr Zeitsouveränität geben, sondern auch Lohnersatzleistungen ähnlich dem Elterngeld auszahlen.
„Wir dynamisieren das Pflegegeld ab 2022 regelhaft. Wir entwickeln die Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetze weiter und ermöglichen pflegenden Angehörigen und Nahestehenden mehr Zeitsouveränität, auch durch eine Lohnersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten.“
Seit Jahren fordern sämtliche Akteure aus den Bereichen der Gleichstellung, die Abschaffung des Ehegattensplittings. Jetzt scheint es bald, oder zumindest innerhalb der kommenden vier Jahre, tatsächlich der Vergangenheit anzugehören. Im Koalitionsvertrag wird nicht explizit geschrieben, dass das Ehegattensplitting abgeschafft wird. Aber die Steuerklassenkombination III/V ist die einzige Möglichkeit, das Ehegattensplitting zu nutzen. Beim Ehegattensplitting wird das zu versteuernde Einkommen beider Ehepartner zusammen gerechnet und zunächst durch zwei geteilt Jede:r zahlt somit die Hälfte der Steuerschuld, unabhängig von der Höhe des jeweiligen Einkommens.
Die Koalition hat sich in ihrem Vertrag darauf geeinigt, die Steuerklassen III und V in die »Steuerklasse IV mit Faktor« zu überführen. Der Lohnsteuerabzug bei beiden Partnern wird dann deutlich genauer und Einkommensteuer-Nachzahlungen können in aller Regel vermieden werden. Ziel soll es sein, dass beide Partner genau ihren jeweiligen Anteil an Steuern bezahlen.
"Wir wollen die Familienbesteuerung so weiterentwickeln, dass die partnerschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Unabhängigkeit mit Blick auf alle Familienformen gestärkt werden. Im Zuge einer verbesserten digitalen Interaktion zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung werden wir die Kombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführen, das dann einfach und unbürokratisch anwendbar ist und mehr Fairness schafft.“
Bei den meisten Vorhaben, hat die Ampelkoalition keine konkreten Termine für die Umsetzung genannt. In den kommenden vier Jahren werden wir daher regelmäßig darüber berichten, welche Vorhaben umgesetzt wurden und wo es noch hapert.
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