Führen in Teilzeit – Wunsch und Wirklichkeit

Viele Führungskräfte würden gerne in Teilzeit arbeiten. Aber noch immer klaffen Realität und Wunsch weit auseinander.

Nicole Beste-Fopma
Journalistin & Autorin


In Deutschland arbeiten 6,5 Prozent der Managerinnen und Manager in Teilzeit. Realität und Wunsch klaffen jedoch weit auseinander: Für drei von vier Frauen sind Führungspositionen in Teilzeit ein wichtiges Kriterium für die Attraktivität eines Arbeitgebers. Rund 40 Prozent der Führungskräfte würden ihre Arbeitszeit während der Familienphase gerne reduzieren. Dabei bringen Teilzeit-Führungsmodelle nicht nur den Führungskräften selbst Vorteile, auch ihr Arbeitgeber profitiert.

Junge Eltern steigen schneller wieder ein

„Ein Unternehmen bekommt von einer Teilzeit-Führungskraft 100 Prozent Leistung für 80 Prozent Gehalt“, so Constanze Elgleb, ehemals von der eq Wirtschaftsberatung für Familienmanagement in Dresden. „Teilzeitkräfte arbeiten meist effektiver und schaffen es, ihren Job auch in weniger Zeit zu erledigen.“ Da junge Eltern Familie und Beruf besser vereinbaren können, steigen ihre Motivation und ihre Identifikation mit dem Unternehmen. Vor allem junge Mütter kehren schneller wieder in den Job zurück, wenn eine qualifizierte Teilzeitstelle auf sie wartet.

Es fehlt (noch) an Vorbildern

Doch leider gibt es nach wie vor Vorbehalte gegen eine Karriere in Teilzeit. „Karriere wird erst nach 17 Uhr gemacht“ – so lautet ein ungeschriebenes Gesetz unter Führungskräften. Noch immer wird in vielen Unternehmen eine leitende Position mit der uneingeschränkten zeitlichen Verfügbarkeit gleichgesetzt. Dies lässt sich mit dem Wunsch nach einer Teilzeitstelle nicht vereinbaren. Es fehlt (noch) an Vorbildern, die zeigen, dass auch Teilzeitkräfte Karriere machen können. Dazu kommt, dass viele Führungskräfte Angst vor einem Macht und Statusverlust haben, denn am Wort „Teilzeit“ klebt immer noch das Klischee von geringer Qualifikation und schlechtem Verdienst. „Doch bei einer Teilzeit-Führungsposition geht es ja nicht um klassische Teilzeitstellen von 20 Stunden“, weiß die ehemalige Wirtschaftsberaterin Constanze Elgleb. „Stattdessen werden vollzeitnahe Modelle von 30 bis 35 Stunden nachgefragt.“ Was zählt, ist nicht so sehr die Stundenzahl, sondern das Ergebnis – und das lässt sich oft auch in weniger Zeit erreichen.

Kein Standardmodell

Für eine Karriere in Teilzeit gibt es kein Standardmodell. Oft werden in Unternehmen individuelle Lösungen erarbeitet. So lässt sich eine Arbeitszeit von 80 Prozent zum Beispiel auf fünf Tage mit je 80 Prozent oder vier Tage mit 100 Prozent und einen freien Tag verteilen. Bei einem Jahresarbeitszeitkonto kann eine Führungskraft einige Monate Vollzeit arbeiten, in anderen Monaten – zum Beispiel in den Ferien, wenn Schulen oder Kindergärten geschlossen
haben – ihre Arbeitszeit dagegen reduzieren.

Wichtig: Flexibilität auf allen Seiten

Bei der Führung in Teilzeit ist vor allem eine hohe zeitliche Flexibilität gefragt – und zwar auf beiden Seiten. Hier ist alles möglich: von einer festgelegten Tages- oder Wochenarbeitszeit, die individuell eingeteilt werden kann, über Vertrauensarbeitszeit bis hin zu Jahres oder sogar Lebensarbeitszeitkonten. Auch die Führungskraft sollte sich flexibel zeigen und zum Beispiel auch außerhalb der festgelegten Arbeitszeiten in dringenden Fällen über ihr Handy erreichbar sein.

Kommunikation und Kompetenzen klären

Neben Flexibilität spielen mobile Kommunikationsmittel bei der Führung in Teilzeit eine wichtige Rolle: von der Möglichkeit, sich von Zuhause in den Firmenserver einzuloggen, bis hin zum Firmenhandy. Eine bedeutende Frage ist auch, ob die Führungskraft die Kompetenzen mitbringt, die sie für eine Karriere in Teilzeit
braucht – und damit sind nicht die fachlichen Qualifikationen gemeint, sondern die sogenannten „Soft Skills“. So muss eine Teilzeit- Führungskraft in hohem Maße teamfähig und flexibel sein und hervorragende Kommunikationsfähigkeiten besitzen. Sie muss loslassen können und auch einmal ihre Mitarbeiter Entscheidungen treffen lassen.

Auch die Kollegen und Mitarbeiter sollten einbezogen werden, wenn eine Führungsposition in eine Teilzeitstelle umgewandelt werden soll: Müssen sie mit ihren Arbeitszeiten den Arbeitszeiten ihres Chefs oder ihrer Chefin entgegenkommen? Haben sie die nötigen Qualifikationen, um Aufgaben des oder der Vorgesetzten zu übernehmen? Außerdem sollten bereits im Vorfeld wichtige Fragen der Arbeitsorganisation geklärt werden.

Zu guter Letzt müssen auch die Kommunikationswege transparent gehalten werden. Die Teilzeit-Führungskraft muss alle relevanten Informationen erhalten, auch wenn sie nicht selbst an Besprechungen teilnehmen kann.

Jobsharing: eine Stelle für zwei

Für Führungskräfte, die ihre Arbeitszeit um bis zu 50 Prozent reduzieren möchten, bietet sich ein Jobsharing an. Dabei teilen sich zwei Personen eine Stelle. Sie legen ihre Arbeitszeiten selbst fest und stimmen miteinander ab, wer welche Aufgaben übernimmt. Jobsharing bietet sich vor allem an, wenn eine ständige Anwesenheit der Führungskraft nötig ist oder der Arbeitsplatz sogar über die Regelarbeitszeit hinaus besetzt sein muss. Am besten funktioniert die geteilte Führung, wenn die gesamte Arbeitszeit der beiden Stelleninhaber*innen etwas mehr als 100 Prozent beträgt. So bleibt genügend Zeit für einen persönlichen Austausch, denn bei diesem Arbeitszeitmodell hat Kommunikation einen besonders hohen Stellenwert.

Dagmar Albert und Birgit Hager von der KfW Bankengruppe arbeiten in einem solchen Führungstandem und teilen sich eine Stelle als Abteilungsdirektorin Fachberatung Rechnungswesen. Dagmar Albert hat eine 80-Prozent-Stelle, ihre Kollegin arbeitet 60 Prozent. Wie wichtig die Kommunikation in diesem Fall ist, betont auch Birgit Hager: „Das ABC der Kommunikation gehört auf jeden Fall zur Tandemqualifikation: Ich informiere meine Kollegin immer, bevor ich zum Chef gehe. Wichtige Mails leite ich weiter.“

Den Arbeitgeber für die neue Idee begeistern

Wie können Führungskräfte, die ihre Arbeitszeit reduzieren möchten, ihre Wünsche nun in die Realität umsetzen? Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass Arbeitnehmer nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz einen Anspruch auf eine Teilzeitstelle haben, wenn sie bereits sechs Monate in einem Betrieb beschäftigt sind und der Betrieb mehr als 15 Angestellte hat. Auch dürfen der Teilzeitstelle keine betrieblichen Gründe entgegenstehen, so das Gesetz. „Ziehen Sie Ihren Arbeitgeber auf Ihre Seite, machen Sie ihm die Vorteile schmackhaft und begeistern Sie ihn für Ihr Anlegen“, rät Wirtschaftsberaterin Constanze Elgleb. Zusätzlich sollten Führungskräfte Ihrem Vorgesetzten bereits ein klares Konzept präsentieren, zum Beispiel wer sie vertreten kann und wie sie in Notfällen erreichbar sind. Auch eine zwei- bis dreimonatige Testphase bietet sich an, so Constanze Elgleb, denn so können beide Seiten ausprobieren, wie das neue Arbeitszeitmodell funktioniert. Wenn immer mehr Männer und Frauen den Wunsch nach mehr Zeit für ihre Kinder durchsetzen, werden bald auch die herkömmlichen Karrieremuster aufgeweicht werden.

von Birgit Adam

Bildnachweis: Pexels – Adreas Piacquadio

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