Einkommensgrenze bei Elterngeld

Michael Tell, elterngeld.net Günder, fordert die Abschaffung dieser Einkommensgrenzen.

Nicole Beste-Fopma
Journalistin & Autorin

Er sagt, dass sich die Reduzierung der Einkommensgrenze bei Ehepaaren gegen das ursprüngliche Hauptziel des Elterngeldes richtet: Einen finanziellen Schonraum ohne Abhängigkeit vom Partner. Insbesondere Frauen würden jetzt wieder in die Abhängigkeit ihres Partners gebracht werden. 


Elterngeld als Schonraum für Frauen

2006 wurde das Elterngeld bewusst ohne Einkommensgrenzen eingeführt. Das Elterngeld als Einkommensersatzleistung in Abhängigkeit vom Erwerbseinkommen, sollte die finanzielle Lücke junger Familien im ersten Jahr nach der Geburt eines Kindes schließen. Insbesondere für Frauen, die damals wie heute in aller Regel diejenigen sind, die nach der Geburt des Kindes zu Hause bleiben, bedeutete dieser finanzielle Ausgleich eine wirtschaftliche Selbstständigkeit innerhalb ihrer Partnerschaft. „Zudem besteht durch die weitgehende Kompensation des Einkommens erstmalig auch eine wirkliche Wahlfreiheit, nämlich die Möglichkeit, auf das höhere der beiden elterlichen Einkommen zu verzichten,“ wie 2006 Caren Marks, Mitglied des Bundestages seit 2002 und 2008 bis 2013 Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Mitglied im SPD-Fraktionsvorstand, am Tag der ersten Beratung zur Einführung des Elterngeldes im Bundestag schlussfolgerte. 2011 wurde dann erstmals eine Einkommensgrenze eingeführt, die jetzt nochmals verschärft wurde. Für Ehepartner von 500.000 auf 300.000 Euro Jahreseinkommen.


Einkommensgrenze diskriminiert Frauen

Als Elterngeldberater haben Michael Tell und sein elterngeld.net Team tagtäglich mit zahlreichen jungen Eltern oder solchen, die kurz vor der Entbindung stehen, zu tun. Viele ihrer Kund:innen „fühlen sich diskriminiert“, wie er sagt. Ein Beispiel aus seiner Praxis zeigt, wie eine Rechtsanwältin trotz finanzieller Unabhängigkeit vor der Geburt, nach der Geburt des gemeinsamen Kindes in die Abhängigkeit ihres Partner gelangt ist. Ihr Mann, Mitgesellschafter eines Familienunternehmens, verdient 300.000 Euro pro Jahr. Aufgrund ihres bisherigen Verdienstes hat sie mit ca. 1.700 Euro Elterngeld gerechnet. Ein Betrag, der sie finanziell unabhängig sein lässt. Durch die Einführung der neuen Einkommensgrenze steht ihr jetzt aber kein Elterngeld zu. „Ein Jahreseinkommen von 300.000 Euro ist viel, aber es ist ausschließlich das Einkommen des Mannes. Je nach dem wie das Paar aufgestellt ist, ist die Frau jetzt abhängig. Die Einführung der Einkommensgrenze entspricht somit einem Hauptziel des Elterngeldes: der Förderung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit des Partners mit dem geringeren Einkommen. In diesem Fall die Rechtsanwältin,“ weiß Tell.

Einkommensgrenze muss überdacht werden

In einem anderen Fall hat die Einführung der Einkommensgrenze sogar dazu geführt, dass sich ein Paar die Elternzeit nicht mehr leisten konnte. Einer seiner Kunden arbeitet als Koch in einem Hotel. Seine Partnerin ist Softwareentwicklerin. Neben ihrem Studium hatte sie eine Plattform entwickelt, die sie im vergangenen Jahr für 300.000 Euro verkaufen konnte. Von dem Geld hat das Paar sich eine Wohnung gekauft. Nun ist sie schwanger. Beide möchten das Kind partnerschaftlich betreuen, nahmen jeweils sieben Monate Elternzeit und beantragten Elterngeld. Sie rechneten mit jeweils 1.500 Euro. Vom Amt bekamen beide einen Ablehnungsbescheid. Durch den Verkauf der Plattform im Vorjahr lagen sie über der Einkommensgrenze. Die Pläne der beiden sind nun hinfällig. Eine Elternzeit ohne Einkommen können sie sich nicht leisten. Sie beschließen daher, ihre Elternzeit mit sofortiger Wirkung zu beenden und wieder in den Job einzusteigen. Beide Arbeitgeber lehnen das ab.“ Da die Elternzeit sich vor der Geburt des Kindes für 24 Monate verpflichtend eingereicht werden muss, haben beide nun keinen Anspruch auf Rückkehr in den Job. Gleichzeitig kann das Elterngeld aber erst nach der Geburt des Kindes beantragt werden.


„Mit Blick darauf, dass ein Jahreseinkommen von 300.000 sehr hoch ist, ist die Senkung der Einkommensgrenze nachvollziehbar,“ gibt der Spezialist für Elterngeld zu. „Nichtsdestotrotz entspricht es nicht einem der ursprünglichen Hauptziele, die zur Einführung des Elterngeldes 2007 geführt haben. Die Senkung sollte daher nochmals überdacht werden. Will der Staat Geld sparen, gibt es sicherlich noch andere Lösungen.“ 

Bildnachweis: Pexels – Malte Luk

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